Das Ende denkst du nicht zu Ende.
– Manfred Hinrich, deutscher Aphoristiker und Schriftsteller
Die Amtszeit von US-Notenbankchef Ben Bernanke neigt sich wohl dem Ende zu. Dementsprechend hat im Weissen Haus, beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit, die Suche nach einem Nachfolger bereits begonnen. Nicht ganz so unbemerkt blieb jedoch der vor wenigen Wochen vorgestellte Zeitplan, nachdem die Notenbank ihre Anleihekäufe von derzeit USD 85 Milliarden pro Monat einstellen wird. Damit dürfte der über 30 Jahre alte Bullmarkt bei den Zinsen endgültig zu Ende sein.
Der Übergang in ein neues Zinsregime hat im letzten Monat des abgelaufenen Quartals zu heftigen Reaktionen geführt. So resultierten in den beiden Aktienindizes S&P500 und Swiss Performance Index nach sieben respektive neun Monaten mit ununterbrochen positiven Aktienrenditen Rückgänge von 1.5% bzw. 3.3%. Verluste in Aktienmärkten hat es in den letzten Jahren immer wieder gegeben, auffallend ist nun aber, dass der Diversifikationseffekt, ähnlich wie im Herbst 2008, nicht zum Tragen gekommen ist. Mit Ausnahme von Brent Öl resultierten in sämtlichen Anlagekategorien negative Renditen.
Aufgrund der massiven Einbussen beim Gold (-14.5%) und begleitet von Rückgängen in allen Obligationenkategorien und Laufzeiten muss für das abgelaufene Quartal das Fazit gezogen werden, dass es sich hauptsächlich um ein Zins- und weniger um Aktienproblem handelt. Auslöser dieser Entwicklung ist die Erkenntnis der Marktteilnehmer, dass es sich langfristig nicht lohnen dürfte, die aufgestauten Zinsrisiken noch länger zu tragen und die Obligationen bis „zum Ende“ zu halten.
Das Ende des Glücks ist ein Unglück, und das Ende des Unglücks ein Glück.
– Francois VI. Duc de La Rochefoucauld, französischer Offizier, Diplomat und Schriftsteller
Das „Unglück“ in den Bondmärkten findet nach unserer Einschätzung seinen Anfang und scheint sich nach über 30 Jahre Glückseligkeit im abgelaufenen Quartal zu bestätigen. Was wir angesichts von Zinsen weit unter 1% – dies entspricht nota bene einem theoretischen Kurs-/Gewinn-Verhältnis von über 100 – an dieser Stelle und über mehrere Quartale hinweg unterstrichen hatten, gilt auch heute noch: Obligationen sind, auch nach dem steilen Zinsanstieg im abgelaufenen Quartal, masslos überteuert.
Anlageklasse | Index | Rendite über 3 Monate per 30.06.2013 | Rendite über 12 Monate per 30.06.2013 |
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Aktien Welt | MSCI World Net US$ | 0.65% | 18.58% |
Aktien Schweiz | Swiss Performance Index | 0.06% | 28.66% |
Obligationen Welt | JPM GBI Global Traded TR USD | -3.08% | -4.96% |
Obligationen Schweiz | Swiss Bond Index AAA-BBB TR | -1.50% | 0.08% |
Rohwaren | Thomson Reuters/Jefferies CRB TR USD | -7.00% | -2.93% |
Immobilien Schweiz | SXI Real Estate® TR | -3.68% | -3.78% |
Wechselkurs EUR/CHF | 1.05% | 2.32% | |
Wechselkurs USD/CHF | -0.15% | -0.37% |
Die Verwerfungen in der Zinslandschaft gingen nicht spurlos an unseren Risikoindikatoren vorbei. Bei unverändert tiefem systemischem Risiko (SRI) hat sich der zweite Index, der die Turbulenzen (TI) im Markt spiegelt, seit Anfang April 2013 deutlich erhöht. Wir gehen nicht von einem nachhaltigen Rückgang in den Aktienmärkten in naher Zukunft aus, die gestiegene Wahrscheinlichkeit von Rückschlägen veranlasst uns jedoch, unsere Portfolios über die nächsten Wochen deutlich tieferem Risiko auszusetzen. Nachdem wir bereits im April 2013 vom höchsten Übergewicht in den «Real Assets» (Aktien, Immobilien, Rohwaren) um eine Stufe zurückgefahren sind, installierten wir Ende Juni 2013 – an guten Börsentagen – eine zur Benchmark neutrale Positionierung.
Eine weitere Reduktion auf ein Untergewicht ist bei anhaltenden, erhöhten Schwankungen in den Märkten vorgesehen. Damit haben wir die im letzten Quarterly Investment Management Update angekündigte erhöhte Handlungsbereitschaft zeitnah umgesetzt. Das Abrücken von unserer bisherigen risikoorientierten Position in eine deutlich defensivere Haltung ist nach unserer Einschätzung eine kurzfristige Massnahme (einige Wochen bis wenigen Monate), bei unverändert positiven Aspekten über den mittleren Anlagehorizont von drei bis sechs Monaten. Unsere Sicht wird durch die folgende ausgewogene Gewichtung von positiven und negativen Argumenten begründet:
- Positiv: Der Obligationenmarkt steht am Anfang der Übergangsphase von einem Käufer- in einen Verkäufermarkt. In den ersten beiden Juniwochen wurden mit über USD 24 Milliarden die höchsten Fondsrücknahmen seit Oktober 2010 gemessen. Ein Teil davon dürfte zumindest mittelfristig auch in Anlagen mit höherem Risiko fliessen.
- Positiv: US Anlagestrategen gehören zu den stark untergewichteten Aktieninvestoren. Per 30. Juni empfehlen sie für ein gemischtes Mandat eine Aktienquote von 50%. Das ist weit unter dem historischen Durchschnitt und hat erfahrungsgemäss eine überdurchschnittliche Aktienentwicklung zur Folge.
- Negativ: Die Übergangsphase in ein neues Zinsregime könnte die Schwankungsanfälligkeit der Finanzmärkte für längere Zeit erhöhen. Die damit verbundene zunehmende Unsicherheit der Anleger würde dazu führen, dass Gelder aus den Obligationenverkäufen den Weg zu risikoreicheren Anlagen verzögert finden werden.
- Negativ: Saisonale Gründe sprechen bis in den frühen Herbst hinein nicht für Aktien. Langfristige Daten zeigen, dass über die bevorstehende Periode weniger die absolute Rendite, sondern vielmehr das Rendite/Risiko Verhältnis weit unterdurchschnittlich ausfällt.
Globale Finanzmärkte – Rückblick
Aktien
Die Änderung des Zinsregimes hat die Aktien in Mitleidenschaft gezogen. Dabei wurden die bis dato im zweiten Quartal 2013 aufgelaufenen Gewinne im Juni 2013 mehrheitlich zunichte gemacht. Grössere Verluste blieben dank der eingangs erwähnten Äusserungen von US-Notenbankchef Bernanke aus; die US-Märkte beendeten das Quartal sogar mit einem Gewinn von über 2%. Den Peripheriemärkten und konkret Hongkong (-6%) machte vielmehr China’s Wirtschaftsentwicklung Sorgen. Emerging Markets verloren 8% und der chinesische Aktienindex brach um 12% ein.
Obligationen
Die grossen Mittelabflüsse aus den US-Obligationenfonds sorgten in den letzten Juniwochen für deutliche Kursverluste, unabhängig von Schuldnerqualität, Region oder Laufzeit. Obligationen konnten sich entgegen den Erfahrungen der Vergangenheit nicht mehr als Zufluchtsort bei Verlusten an den Aktienmärkten profilieren. Zu den grössten Verlierern gehörten Anleihen aufstrebender Länder, sowie aus japanische und australische Staatsanleihen.
Rohwaren
Angeführt von den Edelmetallen, die in allen drei Monaten des abgelaufenen Quartals mit Verlusten zwischen 5% und 16% richtiggehend eingebrochen sind, sorgten die Rohwaren für den grössten Kategorienverlust. Höhere Zinsen bei gleichzeitig steileren Zinskurven verteuern die Alternativkosten von Investitionen, die keinen Ertrag ausschütten. Die abnehmende Attraktivität dieser Anlagekategorie wurde mit scharfen Preiskorrekturen quittiert.
Immobilien
Aus Rendite- und Risikooptik betrachtet, liegen Immobilien zwischen Aktien und Obligationen. Wenig überraschend hat das Ende des alten Zinsregimes denn auch zu Verkäufen in diesem Sektor geführt. Mit einem Verlust von 1.6% im abgelaufenen Quartal haben sich die US-Immobilien besser behauptet als entsprechende Werte aus der Schweiz (-3.7%).
Währungen
Der Weg des US-Dollars zur Parität zum Schweizer Franken kam zum Stillstand. Damit befindet sich die US Währung auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr, was angesichts der aufgehellten amerikanischen Wirtschaftsaussichten überraschend ist. Der Euro konnte sich weiterhin gut über dem Interventionspunkt von CHF 1.20 behaupten.