Jacques E. Stauffer, CIO PARSUMO Capital AG – Dezember 2014:
«Es ist Zeit, unsere Kundenvermögen zu schützen»
In unserem sporadisch erscheinenden Bericht «Aktuelle Marktlage aus Sicht des Risikomanagements» kommentieren wir die relevanten Veränderungen der Risikoverhältnisse an den Kapitalmärkten und greifen Themen aus dem Risikomanagement auf.
Bis vor kurzem konnten sich die vorteilhaften Risikobedingungen halten, und die Aktienmärkte entwickelten sich blendend. Diese Ausgangslage hat sich vor einigen Wochen jedoch geändert, das Risikoumfeld hat sich deutlich verschlechtert. In den vergangenen Jahren sind wir für unsere Kunden lohnende Risiken eingegangen. Seit Jahresanfang ist der Zeitpunkt gekommen, unsere Kundenvermögen zu schützen. Aus diesem Anlass gehen wir auf den Unterschied zwischen Volatilität und Turbulenz ein und erklären, warum PARSUMO Capital AG sich auf die Turbulenz fokussiert.
Die Turbulenz: eine Weiterentwicklung der Volatilität
Volatilitätsmasse wie z.B. der VIX messen die Schwankungsbreite der Kurse und werden immer wieder als Gradmesser für die künftige Marktentwicklung herangezogen. Bei steigenden Werten, also höherem Risiko, sei es angebracht, sich vom Markt fernzuhalten, da solche meist mit grösseren Wertverlusten verbunden seien. Die Analyse dieses vermeintlich hilfreichen Zusammenhangs zeigt jedoch, dass herkömmliche Volatilitätsmasse lediglich ein Abbild des aktuellen Geschehens darstellen und somit keinerlei Prognosefähigkeit besitzen.
Eine Schlussfolgerung könnte demnach sein, dass die Volatilität der Kapitalmärkte eine zwar wichtige Determinante, aber nicht das wirkliche Risiko eines Investors sei.
Was Erklärt das Risiko der Kapitalmärkte besser als die Volatilität?
In den letzten drei Jahren signalisierten unsere Indikatoren meist «ruhige Märkte» d.h. äusserst vorteilhafte Bedingungen an den Kapitalmärkten. In diesen Phasen herrschen üblicherweise ausgezeichnete Investitionsverhältnisse: Relativ geringe Risiken gehen einher mit ansprechenden Renditeerwartungen. Das sind optimale Verhältnisse für professionelle Investoren, weil die eingegangenen Risiken vernünftig honoriert werden.
In unserem Beitrag vom Januar 2012 schrieben wir:
«Aus Risikoüberlegungen möchten wir keine vorschnellen Schlüsse ziehen, unser Blick in die Zukunft hat sich jedoch leicht erhellt. Das Fundament für eine nachhaltige Verbesserung der Situation ist in Ansätzen spürbar. Der Markt gewinnt an Kraft, und die Anfälligkeit lässt nach. Wir bereiten uns für eine Neupositionierung vor, die gegenüber Aktien weit konstruktiver ist. Der erste Monat im neuen Jahr stimmt uns hoffnungsvoll.»
Gemessen am SMI, dem Swiss Market Index, hat der Aktienmarkt seither mehr als 50% zugelegt.
Wir verfolgen die Entwicklung von Volatilität, Turbulenz, systemischem Risiko, Korrelationen und weiteren Risikoindikatoren wie erwähnt sehr genau und stützen unsere Entscheidungen auf diese Beobachtungen ab. Diese Faktoren, die das Verhalten aller Investoren reflektieren, sind aussagekräftiger als herkömmliche Renditeprognosen und Fundamentalanalysen. Unser Ansatz, die Risiken an den Kapitalmärkten nicht nur rückblickend, sondern vorausschauend zu erfassen, hat in den letzten Jahren zu einem deutlichen Mehrwert im Vergleich zu den entsprechenden Referenzportfolios geführt. In fragilen und turbulenten Marktphasen ist ein solches Risikomanagement noch viel wichtiger als in «ruhigen» Märkten: Es ist zentral für den Schutz des Vermögens und das Erwirtschaften einer Rendite überhaupt.
Wie hat sich unser Vorgehen bewährt?
Die statistische Messgrösse Volatilität hat wie eine Medaille zwei Seiten. Steigende Preise haben den gleichen Effekt auf die Volatilität wie fallende Kurse, sofern sie ein vergleichbares Ausmass aufweisen. Da sich Rückschläge jedoch häufig sehr viel rascher und akzentuierter entwickeln als Anstiege, scheint die Beschränkung auf extreme Preisbildungen für eine aussagekräftige Messgrösse angebracht.
Ergänzt man diese auf extreme Entwicklungen fokussierte Volatilität mit weiteren Komponenten, erhält sie interessante Charakteristika, die eine gewisse Prognosefähigkeit bergen. Eine unbestrittene und die bis dato effektivste Ergänzung ist die Korrelationsmatrix. Sie setzt die beobachteten Renditen verschiedener Anlagen in eine gegenseitige Verbindung und erkennt somit Veränderungen bzw. gewisse Anomalien dieses Zusammenhangs. Wir bezeichnen ein ungewöhnliches Abweichen der Renditen von den üblichen Zusammenhängen als Turbulenz. Die Volatilität ist ein guter Gradmesser der aktuellen Aktivität an den Kapitalmärkten. Die Turbulenz hingegen signalisiert eine ungewöhnliche Intensität dieser Aktivitäten in einem unüblichen Umfeld. Die Turbulenz enthält somit eine qualitative Komponente. Erst durch die Ergänzung mit der Korrelationsmatrix wird die Volatilität zu einer bedeutenden Komponente der Einschätzung der Marktrisiken. Sie stellt den entscheidenden Unterschied zwischen Volatilität und Turbulenz dar.
Gesellt sich zu einer hohen Turbulenz auch noch ein hohes systemisches Risiko, kann ein gefährlicher Risikococktail entstehen. Nur durch die Kombination dieser beiden Indikatoren – des Turbulence Index und des Systemic Risk Index – ergibt sich eine prospektive Sichtweise. Und diese Vorhersage der Entwicklung der Risiken – und nicht der Renditen – an den Kapitalmärkten ist für eine professionelle Verwaltung von Vermögen unverzichtbar.
Was zeigen unsere Indikatoren seit Dezember 2014?
Als Risikomanager konzentrieren wir uns auf die prospektiven, künftigen Risiken. Diese haben sich für die kommenden Monate deutlich verschlechtert. Wir sind in den letzten Wochen in eine neue Phase mit hohen Turbulenzen und hohen systemischen Risiken eingetreten. Nachdem wir in den letzten drei Jahren einzig im April 2013 eine nennenswerte Marktfragilität beobachten mussten, zeigen unsere beiden Indikatoren seit Dezember 2014 einen deutlichen Anstieg auf ein erhöhtes Risikoniveau.
Nachdem der Turbulence Index in den vergangenen Wochen in die Höhe geklettert ist, beobachten wir nun auch eine deutliche Verschärfung der systemischen Risiken. Die hohen Wertschwankungen der Tagespreise in diversen Anlageklassen und die anziehenden Korrelationen sind typische Anzeichen turbulenter Marktphasen.
Zusätzlich zu diesen unliebsamen Schwankungen und den Veränderungen in der Korrelationsmatrix gibt es jüngst auch noch eine deutliche Konzentration geopolitischer und makroökonomischer Faktoren, die die Preisentwicklung von Anlagen dominieren und die fundamentalen Eckwerte der Anlageklassen überschatten. So haben sich die Energiepreise und die Sitzungen der amerikanischen Notenbank Fed zum Haupttreiber der Bewegungen an den Kapitalmärkten entwickelt. Das ist eine Konstellation, die die Wahrscheinlichkeit grösserer Korrekturen steigen lässt. Eine Diversifikation der Portfolios ist in solchen Marktverhältnissen weit schwieriger als in Phasen «normaler» Märkte. Risikoorientierte Anleger kompensieren diesen marktbedingten Anstieg des Portfoliorisikos üblicherweise durch einen Abbau ihres Sachwertanteils.
All dies lässt nichts Gutes erahnen, und wir haben in den letzten beiden Wochen das Aktienübergewicht in unseren Zielportfolios auf ein deutliches Untergewicht reduziert. Auch wenn eine grössere Marktkorrektur nicht prognostizierbar ist, hat sich die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines solchen Ereignisses markant erhöht.