Rückblick
«Gefragte Qualitäts- und Dividendenaktien»
Defensive Werte wie Pharma- und Konsumgüteraktien schnitten in Europa im zweiten Quartal 2016 erneut besser ab als der Gesamtmarkt. Klassische Value-Titel wie Bank- und Industriewerte hingegen verloren gegen Ende des ersten Semesters deutlich an Boden.
Diese Entwicklung ist fundamental nachvollziehbar, denn wichtige Vorlaufindikatoren (z.B. der OECD EU Leading Indicator) weisen auf eine anhaltende Wachstumsverlangsamung in Europa hin. In den letzten Wochen gaben auch eher zyklische Nebenwerte gegenüber Aktien mit hoher Marktkapitalisierung deutlich nach.
Defensive Titel mit einem niedrigen Beta (systematisches Risiko) wiesen neben Rohstoff- und Energieaktien weitaus bessere Gewinnrevisionen aus als Werte mit einem höheren Beta.
Auf Aktien mit einem hohen Beta und einer hohen Preisvolatilität (quantitativer Style: High Risk) zu setzen, ist in einem sich abschwächenden konjunkturellen Umfeld die falsche Strategie – auch wenn die aktuellen Bewertungen dieser Titel verlockend erscheinen. Dazu zählen wir vor allem Value-Aktien, deren Beta in den letzten drei Jahren um mehr als 50% gestiegen ist.
Quantitativ analysieren wir die Märkte hauptsächlich auf Style- und Faktorebene.
Welche Strategien waren im zweiten Quartal erfolgreich?
Der Brexit verstärkt die bisherigen Marktentwicklungen. Er erhöht die Gefahr einer weiteren Abschwächung der europäischen Wirtschaft. Marktakteure selektieren Aktien noch mehr nach defensiven Faktoren und Style-Kriterien.
In der Gunst der Anleger standen deshalb Qualitätsaktien mit einer soliden Bilanz und guten Rentabilitätskennzahlen. Anstelle günstig bewerteter Value-Titel wurden Valoren mit einem stabilen und hohen Gewinnwachstum, guten Wachstumsaussichten sowie einem niedrigen Beta und einer tiefen Volatilität (quantitativer Style: Low Risk) gekauft. Dividendenaktien erleben im gegenwärtigen Tiefzinsumfeld ein eindrückliches Comeback.
Unter Berücksichtigung von mehr als 120 Bewertungsfaktoren war dies die einzige ökonomisch rationale Strategie, die abgesehen vom Mai seit Jahresbeginn in jedem Monat funktioniert hat. Ganz offensichtlich suchen Investoren eine Alternative zu Anleihen, die noch eine feste Rendite abwirft. Dafür nehmen sie das höhere Risiko von Aktien in Kauf.
Welche Strategien waren im zweiten Quartal weniger erfolgreich?
Ausgerechnet die Strategien, die 2015 – und auch in der langen Frist – in Europa mit Abstand die besten Resultate geliefert hatten, waren in den letzten Monaten wenig erfolgreich. Es handelt sich dabei um Strategien, bei denen die Marktakteure die Aktienselektion nur auf der Grundlage des Preismomentums und der Entwicklung der Gewinnrevisionen vornehmen.
Ausser im Mai haben diese beiden Anlagestrategien im ersten Semester keinen Mehrertrag gegenüber der Benchmark erzielen können. Im Gegenteil: Anleger, die konträr auf Aktien mit einem schlechten Preis- und Gewinnmomentum setzten, erzielten seit Jahresanfang eine hohe Outperformance. Das heisst, die Verlierer des Jahres 2015 waren die Gewinner dieses Jahres – und umgekehrt.
Ganz offensichtlich ist eine massive Marktrotation im Gange, die sich hauptsächlich mit dem konjunkturellen Umfeld in Europa erklären lässt. Dank des schwachen Euros konnte sich Europa 2015 den negativen globalen Kräften noch weitgehend entziehen. Der Vorteil der schwachen Währung wurde durch die Aufwertung des Euros jedoch zunichtegemacht, und gemäss dem auf sechs Vorlaufindikatoren basierenden Konjunkturzyklusmodell von Merrill Lynch rutschte Europa Anfang Jahr von einem moderaten Aufschwung direkt in den Rezessionsmodus.
Die rasante Erholung der Börsen nach dem Brexit erstaunte manchen Anleger. Sie hatte sicher auch mit der Positionierung der Investoren zu tun. Die Glattstellung von Absicherungsgeschäften führte in eher illiquiden Märkten zu starken Kursausschlägen.
Wir befinden uns aber auch in einem Marktumfeld, das Aktienverkäufe immer unattraktiver macht. In welche Anlageklassen soll das aus dem Verkauf von Aktien stammende Geld fliessen? Geldmarktanlagen und Engagements in Anleihen mit einer negativen Verzinsung sind für viele Investoren unattraktiv und höchstens eine temporäre Alternative. Die meisten anderen Anlagekategorien wie beispielsweise Immobilienanlagen sind bereits sehr teuer geworden.
Ausblick
«Gibt es einen Lichtblick für Europa?»
Ein positives Szenario für die europäischen Aktienmärkte auszumachen, ist kein einfaches Unterfangen. Die im Vergleich zum amerikanischen Markt niedrige Bewertung könnte ein Argument sein, aber die Konjunkturaussichten für Europa haben sich nach dem Brexit – und anders als diejenigen für die USA – nochmals verschlechtert. Die Kursentwicklung der grössten Bankaktien lässt gar Schlimmeres befürchten. Banktitel sind ein guter Gradmesser für den Zustand einer Wirtschaftsregion. Geht es den Banken schlecht, gerät der Wirtschaftsmotor ins Stottern.
Es klingt grotesk, doch ausgerechnet die Stimulierungsmassnahmen der Notenbanken werden zu einer immer grösseren Belastung für die Banken. Denn Negativzinsen haben auch einen negativen Einfluss auf die Ertragskraft und das Eigenkapital der Institute. In der Folge wird die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen und Private restriktiver, was wiederum die Wirtschaftsentwicklung hemmt.
Der Investor mag sich auch die Frage stellen, wie es mit Italien weitergehen soll, wenn die Bilanzen zahlreicher italienischer Bankinstitute von faulen Krediten geradezu erdrückt werden. Eine weitere, staatlich verordnete Geldinfusion für die Patienten scheint unausweichlich.
Ist dennoch ein Lichtblick am düsteren Himmel über Europa auszumachen? Wir denken ja.
Die neusten Vorlaufindikatoren weisen auf ein stärkeres Wachstum in den USA und in etwas geringerem Ausmass auch in den Emerging Markets hin. Europa könnte von einem beschleunigten Wachstum dieser wichtigen Absatzmärkte profitieren. Noch ist nicht abschätzbar, welchen Einfluss der Brexit auf die globale Wirtschaftsentwicklung haben wird. Es ist jedoch davon auszugehen, dass hauptsächlich nur das Wirtschaftswachstum in Europa davon betroffen sein wird. Eine Bodenbildung der globalen Konjunkturverlangsamung würde vor allem den Börsen in den Emerging Markets einen Aufwärtsschub geben.
Abgestützt auf die Resultate der Konjunkturprognosemodelle empfehlen wir, die USA und die Schwellenmärkte der Region Europa (trotz tiefer Bewertungen) vorzuziehen.
Anlegern in europäischen und in Schweizer Aktien empfehlen wir angesichts der schwachen Wachstumsaussichten für Europa weiterhin defensive und somit wenig zyklische Titel. Aus quantitativer Style-Perspektive sind dies Aktien mit niedrigen Risikoparametern (u.a. niedrigem Beta und geringer Preisvolatilität), von hoher Qualität (u.a. Bilanz und Rentabilität) und stabilem, hohem historischen Wachstum (u.a. Dividenden und Gewinn).
Obwohl Value-Strategien für den Gesamtmarkt, insbesondere für Finanzwerte, bei der aktuellen Konjunkturentwicklung nicht funktionieren, sollte bei der Selektion von Qualitätsaktien auf die Bewertung geachtet werden. Qualitätsaktien mit stabilem und überdurchschnittlichem Wachstum sowie Titel mit einer tiefen Volatilität werden bereits mit einem deutlichen Bewertungsaufschlag zum langfristigen Durchschnitt gehandelt. Diese Eigenschaften werden von Investoren geschätzt, und da sie nur bei eher wenig kotierten Unternehmen zu finden sind, haben sie in einem Umfeld schwachen Wirtschaftswachstums ihren Preis.
Europäische und Schweizer Nebenwerte würden wir im aktuellen Wirtschaftsumfeld gegenüber grosskapitalisierten Aktien untergewichten. Ihre Exporte sind stärker auf Europa ausgerichtet, als dies bei global ausgerichteten Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung der Fall ist.
Wir gehen davon aus, dass Aktien mit einer überdurchschnittlich hohen und nachhaltigen Dividendenrendite in einem Nullzinsumfeld zunehmend von Investoren gesucht werden und dass dieser Trend noch lange anhalten wird.
Aktien mit Top-Rankings gemäss Quantitative-Stock-Selection-Ansatz (QSS) von PARSUMO Capital
Aktien Schweiz | Aktien Europa |
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PARTNERS GROUP HOLDING | SWEDISH MATCH |
ACTELION | BRITISH AMERICAN TOBACCO |
EMS-CHEMIE | DIAGEO |
SIKA | BIC |
ROCHE | NOVO NORDISK |