Autor: Jacques Stauffer
Rückblick
Die Notenbanken haben mit ihren markanten Interventionen übertrieben – die Geschwindigkeit der Normalisierung der Geldpolitik wird sich verlangsamen müssen.
Aktien und Obligationen beendeten ein weiteres schwieriges und volatiles Quartal: Die Angst vor einer weltweiten Rezession und die deutlichen Zinserhöhungen haben die Finanzmärkte stark belastet. Auch wenn sich die Abgaben eher im ein- als im zweistelligen Prozentbereich bewegten, waren sie dennoch erneut beträchtlich. Im August ging die Inflation in den USA leicht auf 8,3 Prozent zurück, im Euroraum stieg sie im September auf den Rekordwert von 10 Prozent und erreichte erstmals einen zweistelligen Wert.
Die US-Notenbank Fed setzte ihren Zinserhöhungszyklus fort und hob ihren Leitzins Ende Juli und Mitte September um jeweils 0,75 Basispunkte auf insgesamt 3,00 bis 3,25 Prozent an, den höchsten Stand seit 2008. Nach der Zinserhöhung im Juli im Umfang von 50 Basispunkten – der erste Zinsschritt seit 2011 –, erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen in ihrer Septembersitzung nochmals um ganze 75 Basispunkte und deutete ähnliche Schritte für die Zukunft an. Der EZB-Leitzins beträgt nun 1,25 Prozent. Auch die Schweizer Nationalbank (SNB) hob Ende September ihren Leitzins um weitere 75 Basispunkte an, auf das Niveau von nun 0,5 Prozent.
Die Notierungen für Rohöl und Erdgas kamen im dritten Quartal deutlich zurück, dies vor dem Hintergrund der eingetrübten Wirtschaftsaussichten. Die anhaltende Korrektur an den Börsen spiegelte die Stimmung und die Erwartungen der Investoren erneut sehr gut.
Die Normalisierung des Zinsniveaus ist im Gange, aber diese Entwicklung hat zu rasch stattgefunden. Eine Beruhigung und eine Verlangsamung des Tempos müssen sich einstellen. Die Notenbanken werden mit Ihren massiven Interventionen keinen Erfolg haben – und im schlimmsten Fall werden sie dadurch die Konjunktur abwürgen und eine Rezession verursachen.
Denn die aktuelle Inflation ist angebotsgetrieben und stammt nicht wie sonst üblich von der Nachfrageseite. Es handelt sich also um eine Angebotsverknappung und nicht um einen Nachfrageboom. Dies ist ein neues Phänomen, das die Notenbanken nicht mit Zinserhöhungen bekämpfen können. Zudem ist die Inflation nachhaltig und wegen hartnäckigen Lieferkettenproblemen, dem Stottern der «Werkbank China» und der langfristigen Verknappung des Energieangebots nicht kurzfristig zu lösen.
Die vielbeschworene Entglobalisierung und Regionalisierung der Wirtschaften wird längere Zeit in Anspruch nehmen und bedeutet drei Dinge:
- eine anhaltende Teuerung
- die Globalisierung wird fragmentiert und gebremst
- Unternehmen mit einer starken regionalen Verankerung werden globalen Unternehmungen die Stirn bieten können (IT als Paradebeispiel)
Wir erwarten deshalb keine baldige grundsätzliche Lösung der wirtschaftlichen Probleme. Aber es ist möglich, dass sich die globale Wirtschaft und somit auch die Finanzmärkte stabilisieren und auf dieser Basis wieder erfreulicher entwickeln können.
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Ausblick
Die Geldpolitik hat schwierige Aufgaben zu lösen
Die breite und tiefe Korrektur an den Finanzmärkten kann weiterhin andauern, die Party ist definitiv vorbei. Falls sich die Marktprämissen in den kommenden Monaten verbessern, werden die regionalen Unterschiede jedoch markant ausfallen. Europa wird die Herausforderungen mit seiner Diversität, seiner Geschichte, seinen Wurzeln, den aktuellen Problemen und dem hohen Leidensdruck am schnellsten lösen müssen.
Ein Megatrend sind weiterhin die Veränderungen im Energiebereich, sowohl in traditionellen als auch in alternativen Energien. Das von uns seit mehr als zwei Jahren angesprochene Ringen um die vorhandenen Ressourcen wird weitergehen. Die Lieferengpässe werden sich kontinuierlich abbauen und damit die wirtschaftliche Aktivität erneut ansteigen lassen. Dieser Prozess wird mehrere Jahre dauern und regionale Prosperität erzeugen. Der Preis dafür ist jedoch die Teuerung und damit ein erhöhtes Zinsniveau.
Dies führt dazu, dass finanzstarke Unternehmen mit einer gesunden Bilanz erneut Vorteile haben. Start-ups und hoch verschuldete Unternehmen sind hingegen zu meiden (Schuldendienst). Globale Unternehmen sehen sich einer wachsenden regionalen Konkurrenz gegenüber.
Wie geht es weiter? Prosperierende Branchen sind weiterhin:
- Rohstoffproduzenten
- Erdöl – Erdölunternehmen
- alternative Energien – Clean Energy – Cleantech
- zinssensitive, unterbewertete Finanzunternehmen – Banken und Versicherungen
- zukunftsorientierte Unternehmen mit klarer Leaderposition in disruptiven Industrien
Nur grosse Infrastrukturinvestitionen in alternative Energien (Sonnenenergie, Windenergie, Wasserenergie und Wasserstoff) werden die Energiepreisinflation dämmen können. Um die heutigen Kapazitäts- und Versorgungslücken zu schliessen, sind in den nächsten Jahren und Jahrzehnten riesige Investitionen notwendig.
Wir favorisieren die Faktoren (Styles) Value und Low Risk. Sie haben das Potenzial für eine überdurchschnittlich gute Wertentwicklung. Wachstums- und Qualitätstitel hingegen sind in der heutigen Phase von den Angebotsengpässen besonders stark betroffen. Auch in Bezug auf den Faktor Momentum ist weiterhin Vorsicht geboten, da sich solche Titel in Phasen des Wandels nur bedingt eignen.
Die Notenbanken haben eine schwierige Aufgabe zu lösen, weil sie sich in den letzten Jahren von ihrer vermeintlich besten Seite gezeigt haben (quantitative Lockerung, Zinspolitik, Helikoptergeld, etc.). Dazu kommt, dass das Fed seit den frühen 80er Jahren keine drastischen Zinserhöhungen mehr vornahm, um hohe Inflation zu bekämpfen. Vielleicht sind einige Lehren daraus, z.B. dass Transmissionsmechanismen von der Geld- in die Realwirtschaft lange dauern, vergessen gegangen. Die Notenbanken werden ihre Strategie der Inflationsbekämpfung aufgeben und gemeinsam mit den politischen Entscheidungsträgern zu einer abgestimmten Politik der Förderung von Investition und Produktion übergehen müssen. Dies könnte auch durch ein reduziertes Zinsniveau für Unternehmen erfolgen.
Eine Gefahr für Gesellschaft, Wirtschaft und Finanzmärkte könnten soziale Unruhen sein. Die Kostenexplosion führt zu einer weiteren Ausweitung der Einkommens- und Vermögensdifferenzen. Da mehrere wichtige Entwicklungen parallel verlaufen, ist der Effekt dieser Preissteigerungen einzigartig. Die Gesundheits-, Energie-, Transport- und Nahrungsmittelkosten, sowie die gestiegenen Rohstoffpreise, führen zu einer Kostenspirale mit potenziell schwerwiegenden Folgen für den sozialen Frieden.
Risikoindikatoren
Unser Risikoindikator, der Global Systemic Risk Indicator (Global SRI), hat sich seit dem Frühjahr 2021 auf tiefem Niveau seitwärts bewegt und ist im März 2022 nochmals deutlich gesunken, was robuste Märkte signalisierte – eine Einschätzung, die nicht zutraf. Seither ist der Global SRI deutlich angestiegen und befindet sich nun auf einem neutralen Niveau, das heisst, einem Wert, der moderate systemische Risiken an den Kapitalmärkten anzeigt. Es besteht die Wahrscheinlichkeit weiterer Verwerfungen. Aufgrund der beobachteten erheblichen Rückschläge der letzten Monate erwarten für die eine Stabilisierung der Aktienmärkte, und es dürfte sich in den nächsten Monaten als richtig erweisen, ein neutrales Aktienengagements mit dem damit einhergehenden Risiko einzugehen. Steigt der SRI auf ein Niveau von über +1, wäre ein Untergewicht an Sachwerten angezeigt.
Der Global SRI stellt die gewichtete Kombination der drei regionalen SRI (USA, Europa, Asien-Pazifik) dar. Der Blick auf die Kontinente zeigt, wie schon im zweiten Quartal, steigende Risikoindikatoren für Europa und für Amerika – ein zur wirtschaftlichen Lage kongruentes Bild, das die systemischen Risiken in Zusammenhang mit den Wirtschaftsaussichten und der Inflations- und Energiepreisentwicklung spiegelt. Der SRI in Asien, der im zweiten Quartal leicht fiel, ist im dritten Quartal sehr stark angestiegen. Er befindet sich auf einem Wert von +2, was auf sehr hohe systemische Risiken weist – dies dürfte vor allem auf die Situation in China zurückzuführen sein.
Globale Finanzmärkte - Rückblick Januar bis September 2022
Aktien
Das dritte Quartal 2022 war erneut von Abgaben an sämtlichen Aktienbörsen gekennzeichnet. Im Juli erholten sich viele Märkte von ihren Jahrestiefs im Juni, allen voran US-Aktien, die von starken Technologiewerten profitierten. Im August belasteten die restriktive Geldpolitik und zunehmenden Rezessionsängste erneut die Aktienbörsen. Der September wurde seinem Ruf als schlechtester Aktienmonat gerecht: Die Energiekrise hat sich weiter verschärft, und Sorgen, dass die hartnäckig hohe Inflation die Zentralbanken zu weiteren raschen Zinserhöhungen veranlassen könnte, liessen die weltweiten Aktien fast um 10% fallen.
Der Weltaktienindex MSCI World schloss das dritte Quartal mit einem Minus von 6,19% (in Franken –3,55%), seit Anfang Jahr zeigt er einen Verlust von 25,42% (in Franken –19,44 %). Der SPI verlor von Juli bis September 4,83%, seit Jahresbeginn 19,93%. Schwellenlandaktien gemessen am MSCI Emerging Markets verzeichneten im dritten Quartal Abgaben von 11,57% (in Franken –9,09%). Sie notierten Ende September 27,16% (in Franken –21,31%) tiefer als Anfang Januar. In Franken rechnende Anleger erzielten bei in Dollar denominierten Valoren markante Währungsgewinne, respektive währungsbedingt geringere Verluste.
Obligationen
In Einklang mit den Aktien, setzten auch festverzinsliche Wertpapiere ihre schwache Performance des ersten Halbjahrs im dritten Quartal 2022 fort. Das lange angekündigte, neue Zinsregime wurde in raschem Tempo – vielleicht panikartig – gestrafft. Der Fed-Leitzinsen befindet sich nun auf 3,00 bis 3,25%, wodurch die Kreditkosten auf den höchsten Stand seit 2008 stiegen. Die EZB nahm im Juli ihre erste Zinserhöhung seit elf Jahren vor (plus 50 Basispunkte) und doppelte Anfang September als Reaktion auf die rekordhohe Inflation mit historisch hohen 75 Basispunkten nach. Auch die SNB zog mit einem Zinsschritt von 75 Basispunkten mit – der Leitzins befindet sich nun auf 0,50%.
In der Folge dieser Notenbankaktionen erlitten Obligationen mit Anlagequalität deutliche Verluste. Der weltweit investierte Index von JP Morgan verlor von Juli bis September 7,16% an Wert (in Franken –4,55%), seit Jahresbeginn gab er 20,28% (in Franken –13,89 %) nach. Frankenanleihen mit einer Bonität zwischen BBB und AAA hielten sich vergleichsweise gut und erzielten im dritten Quartal eine Negativrendite von –1,16%. Seit Anfang Januar weisen sie Abgaben von 11,64% aus.
Rohwaren
Die Rohwarenmärkte stehen seit Jahresbeginn im Banne des Kriegs in der Ukraine. Der breit gefasste Rohwarenindex CRB kletterte im ersten Halbjahr 25,73% (in Franken 32,10%) in die Höhe, angetrieben von den explodieren Rohöl- und Gasnotierungen. Im dritten Quartal 2022 gab der Index 7,23% (in Franken –4,62 %) nach, wobei der Energiesektor den Rückgang anführte. Es wird befürchtet, dass die Nachfrage durch das nachlassende Wirtschaftswachstum beeinträchtigt wird. So wurden Brent-Rohöl-Futures Ende September zu 86 Dollar pro Fass gehandelt, ein Quartalsrückgang von mehr als 20%. Die volatilen europäischen Erdgaspreise haben sich seit ihrem Höchststand im August mehr als halbiert. Die Feinunze Gold kostete Anfang März 2070 Dollar, Ende September waren es nur noch rund 1660 Dollar; die Notierung befindet unter dem Niveau des Jahresbeginns. Dem edlen Metall zu schaffen machten die geldpolitischen Entscheide – steigende Zinsen und der starke Dollar sind Gift für den Goldpreis. Rohstoffe sind seit Anfang Jahr die einzige grosse Anlageklasse, die eine positive Performance zeigte
Immobilien
Auch in Immobilien investierte Wertpapiere erlitten im Jahresverlauf deutliche Abgaben, ausgelöst von der geopolitischen Lage, wirtschaftlichen Unsicherheiten, Inflationsängsten und den markanten Zinsschritten der Notenbanken. In den physischen Immobilienmärkten ist jedoch trotz der geldpolitischen Normalisierung nur wenig Schwäche zu erkennen, vor allem in der Schweiz scheinen Immobilien unbeeindruckt von den jüngsten Zinserhöhungen. Ausländische Immobilienanlagen gaben von Januar bis September 28,91% nach (in Franken –23,20%). Schweizer Immobilien gemessen am SXI Real Estate Funds Index verloren seit Anfang Jahr 16,76% an Wert.
Währungen
Das in vielerlei Hinsicht schwierige Umfeld und die einhergehenden makroökonomischen und geopolitischen Faktoren hinterliessen auch an den Devisenmärkten deutliche Spuren. Seit Anfang Jahr festigte sich der Dollar gegenüber dem Franken um 7,72%. Gegenüber dem Euro stand der Franken unter Aufwertungsdruck, was durch die Zinserhöhungen der SNB akzentuiert wurde: Die für die Schweizer Wirtschaft so wichtige Einheitswährung setzte ihre anhaltende Schwächephase fort. Im Jahresverlauf verlor der Euro zum Franken 6,87% an Wert und befindet sich seit Anfang Juli unter Parität. Gegenüber dem Greenback gab der Euro im dritten Quartal 2022 um 6,29% nach, seit Jahresbeginn um 13,54%.