Rückblick
«Wer zu wenig negativ denkt, wird auch kein Positiv entwickeln können.»
(Erhard Blanck, deutscher Heilpraktiker, Schriftsteller und Maler)Verzweifelt versuchen die Zentralbanken der drohenden Deflation den Garaus zu machen, der Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen und die Heimwährung ihrer Länder zu schwächen. Dabei müssen sie stets neue Massnahmen zu Hilfe nehmen. Ende Januar hat die Bank of Japan (BoJ) negative Zinsen eingeführt und für bei ihr gehaltene Einlagen Strafzinsen verhängt. Mit ihrer Negativzinspolitik Nirp (Negative Interest Rate Policy) befindet sie sich in guter Gesellschaft mit den Währungshütern in der Schweiz, Dänemark, Schweden und der Eurozone. Das neue Mantra lautet: «Je negativer, desto positiver.»
Und schon bald dürfte die Nirp-Gruppe weiteren Zuwachs erhalten – die norwegische Zentralbank senkte ihre Leitzinsen Mitte März auf rekordtiefe 0,5% und liess verlauten, ein weiterer Zinsschritt nach unten sei noch in diesem Jahr wahrscheinlich, und sie schliesse die Einführung von Negativzinsen nicht aus.
Der Trend zu immer tieferen Zinsen war von den Anlegern über Jahre hinweg wohlwollend aufgenommen worden. Doch in den ersten Handelstagen des neuen Jahres setzte sich die Erkenntnis durch, dass zu viel Negatives doch nichts Positives bewirken kann: zumindest nicht in der Wirtschaft und schon gar nicht an der Börse. Die Flucht aus Aktien folgte umgehend, und Obligationen und vor allem Edelmetalle verzeichneten im ersten Quartal 2016 hohe Gewinne (Gold +16%, Silber +11%).
Die Erholung setzte ein, nachdem die Verwerfungen an den Rohwarenmärkten abgeflaut waren und der Erdölpreis ab Mitte Februar zu einer Gegenbewegung ansetzte. Die Notierung von Rohöl der europäischen Sorte Brent kletterte im März um 15% und kompensierte den Januar- und Februarverlust von 9 respektive 3%.
Aktien entwickelten sich allerdings sehr heterogen. Da die Börsen in den USA und in Grossbritannien eine schwarze Null erzielten, konnte der globale Aktienindex MSCI World – in Dollar gerechnet – das erste Quartal fast unverändert schliessen. Die Börsen auf dem europäischen Festland und in Asien kamen jedoch deutlich unter die Räder. In Deutschland verlor der Leitindex Dax 7%, Schweizer Aktien gaben 9% nach, und japanische Werte verloren trotz Nirp sogar 12%.
Ausblick
Das Fehlen eines Beweises heisst nicht, dass es keinen Beweis gibt.Der Faktor Zins ist ein wichtiger Bestandteil der Konsumfunktion von John Maynard Keynes. Für Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), liegt es deshalb auf der Hand, dass tiefe Zinsen den Konsum und somit das Wirtschaftswachstum befeuern. Aus diesem Grund scheut er nicht davor zurück, das Nirp-Experiment bis zum Äussersten auszureizen. Nicht wenige Volkswirtschaftsexperten zweifeln jedoch seit längerem, ob diese antiquierte Funktion generell stimmt und ob sie im Umfeld negativer Zinsen überhaupt anwendbar ist.
Wie hoch wäre das Wirtschaftswachstum ausgefallen, wenn die Europäische Zentralbank nach dem Ende der Finanzkrise keinen expansiven Pfad verfolgt hätte? Das ist nicht abschätzbar. Keine Wissenschaft kann beweisen, welche Folgen Nichtstun gehabt hätte. Die Wirtschaftsentwicklung in Europa lässt sich bestenfalls als lethargisch mit positivem Unterton bezeichnen, aber es ist kein Geheimnis, dass die offenen Geldschleusen dies- und jenseits des Atlantiks vor allem den Finanzmärkten zugutegekommen sind.
Die letzten drei Monate zeigen jedoch, dass die in erster Linie anlegerfreundlichen Massnahmen zunehmend verpuffen und die Nervosität an die Märkte zurückgekehrt ist. Vor diesem Hintergrund überrascht die zunehmende Risikoscheu der verschiedenen Zentralbanken nicht. Nachdem sie im Jahr 2010 erstmals seit mehr als 15 Jahren wieder zu Nettokäufern von Gold mutiert waren, erwarben sie im abgelaufenen Jahr rekordhohe 588 Tonnen Gold.
Anlageklasse | Index | Rendite über 3 Monate, per 31.03.2016 | Rendite über 12 Monate, per 31.03.2016 |
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Aktien Welt | MSCI World Net USD | –0,35% | –3,45% |
Aktien Schweiz | Swiss Performance Index | –8,55% | –8,98% |
Obligationen Welt | JPM GBI Global Traded TR USD | 6,74% | 5,85% |
Obligationen Schweiz | Swiss Bond Index AAA-BBB TR | 2,25% | 2,04% |
Rohwaren | Thomson Reuters/Jefferies CRB TR USD | –3,19% | –19,41% |
Immobilien Schweiz | SXI Real Estate® TR CHF | 3,79% | –0,04% |
Wechselkurs EUR/CHF | 0,61% | 4,86% | |
Wechselkurs USD/CHF | –3,98% | –1,11% |
Pro
- Unsere prospektiven Risikoindikatoren verharrten längere Zeit auf hohem Niveau. Die überdurchschnittlich hohe Risikokonzentration mahnte zur Vorsicht. Unsere Risikoindikatoren haben sich nun in den letzten Wochen graduell zurückgebildet und signalisieren damit eine Entspannung der Risikoverhältnisse an den Finanzmärkten.
- Die deutliche Börsenkorrektur zu Beginn des Jahres und die eingeleitete kontinuierliche Erholung deuten auf eine sich stetig aufhellende Verfassung der Aktienmärkte.
Kontra
- Die historisch hohen Aktienquoten in den gemischten Wertschriftendepots der Kunden von Schweizer Banken haben sich wegen der Verwerfungen um das Jahresende zurückgebildet jedoch lediglich geringfügig. Noch sind die Anleger in Aktien überinvestiert.
- Trotz der Börsenkorrektur zum Jahresanfang halten amerikanische Anleger unverändert historisch hohe 2,5% der Aktienmarktkapitalisierung auf Marge. Diese Käufe auf Kredit wirken tendenziell kurshemmend. Vergleichbar hohe Werte wurden in den Jahren 2000 (2,3%) und 2007 (2,1%) beobachtet.
- Am 23. Juni 2016 werden die Briten über den Brexit – den Austritt Grossbritanniens aus der EU –abstimmen. Höhere Schwankungen an den Finanzmärkten sind wegen der Unsicherheit über den Verbleib Grossbritanniens in der EU nicht auszuschliessen.
Globale Finanzmärkte – Rückblick
(Vergleiche vorangehende Tabelle)
Aktien
Das erste Quartal 2016 begann denkbar schlecht. Die markanten Verluste der ersten Tage und Wochen stellten sämtliche Ampeln für den weiteren Jahresverlauf auf Rot: Die ersten vier Januartage zeigten den schlechtesten Handelsverlauf seit Beginn der Aufzeichnungen, der Januar war der miserabelste Monat an den weltweiten Aktienbörsen seit langer Zeit. Die Bilanz nach den ersten drei Monaten fällt aber doch nicht so schlecht aus. Die aufstrebenden Märkte (Emerging Markets) verbuchten nach mehreren Monaten mit Abgaben sogar einen Gewinn von 6%. Der in Dollar notierte Aktienindex MSCI World zog sich dank den marginalen Gewinnen in Grossbritannien und den USA mit einer roten Null aus der Affäre. Kräftig unter die Räder kamen die Aktienbörsen der Eurozone und die etablierten Märkte in Asien. So verlor der MSCI Europe 7%, und die Börsen in Japan und Hongkong erzielten einen Verlust von 12 respektive 5%. Schweizer Aktien befanden sich mit einem Minus von 9% in «guter» Gesellschaft.
Obligationen
Die meisten Marktteilnehmer mussten feststellen, dass Obligationen sogar bei historisch tiefen Zinsen abermals teurer werden können. Zum Jahresauftakt verhalf die Flucht aus Aktien den Zinspapieren zu einem kräftigen Schub, und Ende Januar kam die überraschende Ankündigung der japanischen Notenbank hinzu, von den Geschäftsbanken künftig Strafzinsen von 0,1% für die bei ihr geparkten Gelder einzufordern. Der Anstieg von 7% im ersten Quartal verhalf dem global investierenden Index für Staatsanleihen zu einem Jahresgewinn von in Dollar gerechnet 6%. Das starke Eröffnungsquartal 2016 sorgte mit einem Plus von mehr als 2% auch bei Frankenanleihen für einen Gewinn von 2% über zwölf Monate.
Rohwaren
Rohstoffe waren im ersten Quartal der Taktgeber für Aktien. Unter der Führung des Ölpreises setzte Mitte Februar die Kehrtwende nach oben ein. Obwohl es dem Gesamtindex nicht reichte, auf Quartalsbasis einen Gewinn zu erzielen (–3%), profitierten besonders die Vertreter der Edelmetalle von den Verwerfungen an den Aktienmärkten: Der Goldpreis legte 16% zu, Silber avancierte 11%. Die Rohölsorte Brent konnte trotz dem Quartalsgewinn von 2% keinen Jahresgewinn erzielen, zu hoch waren die Verluste in den vorangegangenen neun Monaten ausgefallen. Brent notiert immer noch mehr als 20% tiefer als vor zwölf Monaten.
Immobilien
Immobilien konnten nur begrenzt von der Schwäche an den Aktienmärkten profitieren. Zwar erzielten sowohl die Fonds für Liegenschaften in der Schweiz (+4%) als auch der Index für amerikanische Immobilienaktien und -fonds (+1%) ein positives Quartalsergebnis, über die letzten zwölf Monate und in Franken gerechnet erreichten sie jedoch nur das magere Resultat von 0 respektive 3%. Schweizer Immobilien dürften weiterhin ein beschränktes Potenzial nach oben aufweisen; das aktuelle Agio (Aufpreis gegenüber dem Nettoinventarwert) ist mit einem Wert von 28% fast doppelt so hoch wie der langfristige Durchschnitt von 15%.
Währungen
Die Wahrscheinlichkeit ist gestiegen, dass die amerikanische Notenbank Fed ihre ursprüngliche Absicht, im laufenden Jahr die Zinsen schrittweise zu erhöhen, revidieren muss. Die globale Wirtschaftsentwicklung ist zu heterogen, und der Wettlauf der Zentralbanken, ihre eigene Währung zu schwächen, setzt sich ungebremst fort. Diese Erkenntnis veranlasste die Anleger, den Dollar sowohl gegenüber dem Euro (–5%) als auch zum Franken
(–4%) zu verkaufen. Noch stärkere Abgaben gegenüber dem Franken zeigte das britische Pfund (–6%), dies wegen der Befürchtungen um einen allfälligen Brexit.