Rückblick
«Bei der Suche nach Konsens entsteht viel Nonsens.»
(Klaus Klages, Deutscher Gebrauchsphilosoph)
Das Gremium der amerikanischen Federal Reserve Bank unter der Führung von Janet Yellen ist sich einig. Sobald die US-Wirtschaft wieder bei Vollbeschäftigung ist, kann an der Zinsschraube gedreht werden. Die Fed-Vorsitzende möchte endlich die bereits bei ihrem Amtsantritt vor 2 Jahren eingeleitete Abkehr von der Politik des billigen Geldes fortsetzen, ohne das gegenwärtige Wachstum der Konjunktur zu gefährden.
So einfach scheint dieses Unterfangen nun doch nicht zu werden. Zum einen herrscht Uneinigkeit darüber, was Vollbeschäftigung überhaupt heißt. Die Arbeitslosenquote wird als Gradmesser wohl nicht herangezogen, denn sonst hätten die Zinsen bereits an der letzten Sitzung erhöht werden müssen. Der aktuelle Wert von 5.1% signalisiert zumindest eine relative Vollbeschäftigung, liegt er doch 1% unter dem 50-jährigen Durchschnitt und mehr als 5% unter den Spitzenwerten aus dem Jahre 2010. Eine andere wichtige Kennzahl, die Erwerbsquote, zeigt sogar deutlich in die andere Richtung. Seit Anfang 2000 ist die Erwerbsquote, also des Anteils der arbeitenden und arbeitssuchenden Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung von 67.3% auf 62.4% gesunken. Damit liegt sie wieder auf dem Stand von 1977. Hinzu kommen die Abnahme der Arbeitszeit und die stagnierende Lohnentwicklung. Diese letztgenannten Kennzahlen bestärken wohl kaum die Ansicht, dass sich die amerikanische Wirtschaft nahe an der Vollbeschäftigung befindet.
Die Doppelbelastung aus der immer wieder verschobenen Zinserhöhung in den USA und der nachlassenden Wirtschaftsdynamik in China sorgte für Ernüchterung an den Finanzmärkten. Aktien erzielten im abgelaufenen Quartal die schlechteste Rendite seit über 3 Jahren (-8%), Obligationen vermochten trotz absolut niedrigen Zinsen zumindest beschränkt als Auffangbecken dienen (+2%).
Man darf gespannt sein, welche Kennzahlen Janet Yellen hervor zaubern wird, um eine Zinserhöhung noch in diesem Jahr zu rechtfertigen. Zu lange hat ihr Gremium diesen Entscheid hinausgezögert und es wäre an der Zeit, einen Konsens innerhalb der Federal Reserve Bank zu finden, was Vollbeschäftigung denn genau bedeutet. Die Gefahr einer «Nonsens» Erklärung ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen.
Ausblick
«Wer der Zukunft den Rücken kehrt, wird von der Vergangenheit eingeholt.»
(Ernst Ferstl, österreichischer Lehrer, Dichter und Aphoristiker)
Vielleicht hat Janet Yellen am 17. September 2015 die Gelegenheit für höhere Zinsen ganz absichtlich verpasst. Im Fed-Gremium scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass sich die amerikanische Wirtschaft trotz offenen Geldschleusen nicht den langfristigen Zyklen widersetzen kann und nach fünfjährigem Wirtschaftswachstum am Anfang einer Rezession steht. Dies wäre also kaum der richtige Moment für Zinserhöhungen.
Neben den bereits besprochenen Signalen aus dem amerikanischen Arbeitsmarkt gibt es zusätzliche Gründe, weshalb die ganze Welt vergeblich auf einen Zinsschritt warten dürfte. Die eingeleitete schrittweise Abwertung des chinesischen Renminbi zum US Dollar würde an Fahrt gewinnen und in der Folge den Abwertungswettlauf in den aufstrebenden Märkten neu entfachen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) setzt alles daran, die Zinsen so lang wie möglich niedrig zu halten, um den Einsturz der Schuldenpyramide zu verhindern.
Die Zentralbanken kommen womöglich zum Schluss, dass sie mit ihrer Politik der offenen Geldschleusen nicht unbegrenzt die Wirtschaft ankurbeln, die Börse befeuern, die eigene Währung schwächen und die Deflation abwehren können. Eher müssen sie sich über weitreichende Fehlentwicklungen sorgen: Spekulationsblasen und Überschuldung. Mit der aggressiven Tiefzinspolitik haben sie über lange Zeit der Zukunft den Rücken gekehrt, früher oder später werden sie von der Vergangenheit eingeholt.
Anlageklasse | Index | Rendite über 3 Monate, per 30.09.2015 | Rendite über 12 Monate, per 30.09.2015 |
---|---|---|---|
Aktien Welt | MSCI World Net USD | -8.45% | -5.09% |
Aktien Schweiz | Swiss Performance Index | -2.68% | -0.18% |
Obligationen Welt | JPM GBI Global Traded TR USD | 2.03% | -2.37% |
Obligationen Schweiz | Swiss Bond Index AAA-BBB TR | 0.82% | 4.00% |
Rohwaren | Thomson Reuters/Jefferies CRB TR USD | -14.69% | -30.42% |
Immobilien Schweiz | SXI Real Estate® TR CHF | -1.52% | 7.83% |
Wechselkurs EUR/CHF | 4.38% | -9.82% | |
Wechselkurs USD/CHF | 4.04% | 1.92% |
Im jetzigen Zeitpunkt widersetzen wir uns dem Konsensus, wonach das abgelaufene, schwache Quartal den Übergang zu einem Jahresendrallye eingeläutet hat. Wohl würde dieses Szenario dem klassischen Muster entsprechen, wonach der Oktober traditionell den Turnaround einleitet. Es sprechen jedoch verschiedene Gründe dafür, dass das Jahresende nicht mit höheren Aktienkursen abgeschlossen werden dürfte:
- Unsere prospektiven Risikoindikatoren zeigen eine hohe Risikokonzentration auf und mahnen damit zur Vorsicht. Vergleichbar hohe Werte wurden in den Jahren 2001 und 2007 beobachtet. Die Finanzmärkte befinden sich seit Anfang des Jahres in einem deutlich veränderten Risikoregime und sind dadurch weit fragiler als in den vergangenen 4 Jahren.
- Gemäss Erhebungen der Branchenorganisation Swiss Funds Association (SFA) per August betrug das Verhältnis zwischen dem investierten Kapital in Aktienfonds und solchem in Obligationen-/Geldmarktfonds hohe 94%. Unsere Auswertungen haben gezeigt, dass ein Wert über 93% in keinem einzigen der bisher 23 beobachteten Fälle seit der ersten Datenerhebung im Jahr 1998 eine positive Jahresrendite des Swiss Performance Index (SPI) folgte.
- Nur in 3 von 11 Fällen seit Datenerhebung im Jahr 1996 folgte eine positive Jahresrendite des MSCI World, wenn die empfohlene Aktienquote von 8 Schweizer Banken aggregiert über 45% lag. Für das letzte Quartal 2015 empfahlen diese Institute eine Quote von 46%, was einer erwarteten Rendite von Minus 6% über die nachfolgenden 12 Monate entspricht.
In den USA weicht die Entwicklung der bekannten Aktienindizes Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 deutlich vom zusammengesetzten saisonalen Zyklus ab, welcher die Daten der letzten 100 Jahre aggregiert (Präsidentschafts-, Zehnjahres- und Jahreszyklus). Die aktuell zu beobachtende Abweichung weist darauf hin, dass die bevorstehende, historisch überdurchschnittlich gute Halbjahresperiode zwischen Oktober und April für ein Mal ausbleiben könnte.
Globale Finanzmärkte – Rückblick
(Vergleiche vorangehende Tabelle)
Aktien
Aktien erzielten die schlechteste Rendite über 3 Monate seit Februar 2012. Die unheilige Allianz zwischen dem Zögern der US-Notenbank bezüglich des bevorstehenden Zinsschritts und dem Einbruch des chinesischen Aktienmarktes um 30% sorgte weltweit für tiefere Kurse. Nicht nur die Märkte mit Bezug auf China wurden in Mitleidenschaft gezogen (Nikkei -14%, Hang Seng -21%), auch die im Emerging Market Index zusammengezogenen, dollarsensitiven Börsen der „aufstrebenden Länder“ gaben kräftig nach (-18%). Dieses Mal war es den etablierten Aktienmärkten wie jenen der USA, von Grossbritannien (je -7%) und der Schweiz (-3%) zu verdanken, dass der Verlust des global berechneten MSCI World auf 8% begrenzt werden konnte.
Obligationen
Trotz gegenteiliger Rhetorik der Entscheidungsträger verdichten sich die Anzeichen, dass die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden Zinserhöhung der amerikanischen Notenbank – und dies noch im laufenden Jahr – Richtung Null tendiert. Entsprechend konnten der global gehandelte Obligationenindex um 2% und die im Schweizer Markt gehandelten Frankenobligationen im Bereich von AAA bis BBB um 1% zulegen.
Rohwaren
Die wohl technisch bedingten Gewinne im Vorquartal waren von kurzer Dauer. Der starke Rückgang der Ölsorte Brent (-22%) zog sowohl die Industrie- als auch die Edelmetalle kräftig ins Minus. Während dem sich die Unze Gold (-5%) und das Silber (-7%) noch leicht besser als der Rohwarenindex CRB (-15%) halten konnten, erlitt das Kupfer zweistellige Verluste mit negativen Auswirkungen auf Aktien und Obligationen der Unternehmen aus dem Rohstoffsektor (Glencore). Der VW-Skandal um manipulierte Dieselabgaswerte verhalf lediglich dem in Benzinmotoren eingesetzten Palladium zu einer markanten Gegenbewegung (+15%).
Immobilien
Immobilienfonds in der Schweiz setzten ihre Konsolidierung fort. Der Kursverlust von 2% über die letzten 3 Monate sorgte für einen weiteren Rückgang des Agios (Aufpreis gegenüber dem Nettovermögen) von hohen 36% im April auf aktuell 23%. Dieser Wert liegt allerdings immer noch deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von 15%. Die Konsolidierung dürfte somit noch nicht abgeschlossen sein. Ausserhalb der Schweiz gehandelte Immobilienfunds konnten weiter zulegen: um 3% in den USA und um 5% in Grossbritannien.
Währungen
Entgegen den Erwartungen nutzte die Schweizerische Nationalbank den Anstieg des EURO und der US Dollars zum Schweizer Franken nicht zum Abbau der hohen Devisenbestände. Bis Ende August stiegen die entsprechenden Eckwerte zum dritten Mal in Folge und so bleiben deren Währungsgewinne gegenüber dem Franken von jeweils 4% über die letzten 3 Monate eher suspekt.