Den Misstrauischen sollte man am wenigsten trauen.
– Theognis von Megara, Schriftsteller
Das Zitat von Theognis von Megara ist wohl als späte Erkenntnis nach dem Verlust seines Besitzes zu deuten. Der griechische Schriftsteller konnte zu seiner Zeit (um 540–500 v. Chr.) kaum ahnen, dass sich in den modernen Finanzmärkten öfters gerade dann grosse Gewinne erzielen lassen, wenn das Misstrauen der Anleger besonders hoch ist.
Dieses Misstrauen dominierte im abgelaufenen Quartal – vor dem Hintergrund der bekannten politischen und wirtschaftlichen Problem – das Geschehen an den Aktienmärkten. Der amerikanische S&P-500-Index verzeichnete mit einem Gewinn von 12% das beste erst Quartal seit 1998. Für Schweizer Aktien reichte es mit einem Plus von 7% immerhin zum stärksten Jahresauftakt seit 2006.
Ein Wunder ist leichter zu wiederholen, als zu erklären.
– Christian F. Hebbel, deutscher Dramatiker
Warum sollte sich die «wunderbare» Entwicklung der Finanzmärkte im zweiten Quartal nicht fortsetzen? Eine Wiederholung des ersten Quartals ist durchaus denkbar und wäre – im Gegensatz zum Zitat von Hebbel – sogar leicht zu erklären. Nach über zehn Jahren mit ständigem Auf und Ab an den Aktienmärkten hat sich bei den Anlegern ein Denkmuster eingefahren, das die Rückkehr zum Durchschnitt («Reversion to the Mean») als gegeben hinnimmt: Auf ein gutes Quartal muss ein schwächeres folgen. Gerade deshalb fehlt das Anlegervertrauen in eine Aktienhausse, und gerade deshalb steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Fortsetzung des Anstiegs seit dem Zwischentief im Spätsommer des vergangenen Jahres.
Unterstützt wird diese Einschätzung durch den wichtigsten Stein im Mosaik unserer umfassenden Finanzmarkteinschätzung: den Systemic Risk Index®. Seit Februar 2012 stufen wir das systemische Risiko nicht mehr als «hoch» ein sondern als «tief». Wir glauben nämlich, dass die Finanzmärkte schlechte Nachrichten heute viel besser absorbieren können als noch vor besagtem Datum. In der Folge haben wir den Anteil von Realwerten im Risikoprofil PARtact von 40% (Zielportfolio 2) auf 57% (Zielportfolio 5) erhöht.
Damit dokumentieren wir unsere Erwartung, dass die Finanzmärkte auf der Suche nach einem neuen Equilibrium auch im laufenden Quartal den meisten Widrigkeiten trotzen werden. Wie bereits mehrmals an dieser Stelle erwähnt, prognostizieren wir weder den Verlauf der Finanzmärkte noch versuchen wir, das Verhalten unserer Risiko Indikatoren zu antizipieren. Die Analyse von zusätzlichen, aus dem Gebiet der Behavioral Finance stammenden Indikatoren bekräftigt jedoch die Einschätzung, dass wir uns in einem aktienfreundlichen Umfeld befinden.
Anlageklasse | Index | Rendite über 3 Monate per 31.03.2012 | Rendite über 12 Monate per 31.03.2012 |
---|---|---|---|
Aktien Global | MSCI World Net US$ | 11.56% | 0.56% |
Aktien Schweiz | Swiss Performance Index | 6.97% | -1.31% |
Obligationen Welt | JPM GBI Global Traded TR USD | -0.91% | 5.67% |
Obligationen Schweiz | Swiss Bond Index AAA-BBB TR | 1.21% | 6.51% |
Rohwaren | Thomson Reuters/Jefferies CRB TR | 1.05% | -14.15% |
Immobilien Schweiz | SXI Real Estate® TR | 3.91% | 7.49% |
Wechselkurs EUR/CHF | -0.92% | -7.44% | |
Wechselkurs USD/CHF | -4.11% | -1.95% |
Da wäre zum einen das Verhalten der Anleger bei der Gewichtung der Anlageklassen in ihren Depots. Das Bild ist eindeutig und über alle geografischen Regionen einheitlich: Sowohl institutionelle als auch private Anleger halten heute deutlich tiefere Aktienquoten als in der Spitze der Bullenmärkte der Jahre 2000 und 2007. In den meisten Fällen liegen diese Gewichte sogar unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Am deutlichsten zeigt sich die Aversion gegenüber Aktien bei den britischen Anlegern: über die letzten 16 Jahre hat sich das Anlagevolumen in den Aktienfonds im Vergleich zum Gesamtfondsvolumen von 88% auf 53% reduziert.
Zum anderen ziehen Anleger trotz der Erholung an den Aktienmärkten unverändert Gelder aus Aktienfonds ab und investieren einen Teil davon in festverzinslichen Anlagen. Die amerikanische Fondsindustrie vermeldet über die letzten zwölf Monate Mittelabflüsse von USD 13 Mrd. aus Aktienfonds und Zuflüsse von USD 11.6 Mrd. in Obligationenfonds ̶ nota bene pro Monat.
Was könnte der Auslöser sein, um das Heer der Anleger wieder zurück in die Aktienmärkte zu locken? Zuoberst auf der Liste steht als Voraussetzung die Zinswende. Nach dreissigjährigem Trend zu sinkenden Zinsen könnte die Angst vor Verlusten, wie sie mit einer Trendumkehr aufkeimt, die Anleger animieren, dem Obligationenmarkt den Rücken zu kehren. Die Zinswende ist zwar schon mehrmals prognostiziert worden, eingetreten ist sie aber bis heute nicht, und Kapitalverluste haben sich bis dato lediglich aufgrund schlechter Risiken ergeben. Wir gehen nicht davon aus, dass die Zitrone bis zum letzten Tropfen ausgepresst werden kann, folgerichtig positionieren wir uns bei Obligationen bereits heute defensiv: untergewichtet und mit kurzer bis mittlerer Laufzeit. Das Aufholpotenzial von Aktien gegenüber Obligationen ist trotz hervorragenden ersten Quartals unverändert gross. Über die letzten zehn Jahre haben Schweizer Aktien im Vergleich zu Anleihen der Eidgenossenschaft 37% weniger zugelegt. US-Aktien liegen gegenüber amerikanischen Staatsanleihen mit 77% Rendite im Rückstand.
In den bevorzugten Obligationenmärkten (Unternehmensanleihen, High-Yield-Bonds, Emerging-Markets-Bonds) hängen die Früchte nicht mehr so tief, als dass sie mit geringem Risiko gepflückt werden können. Die ursprünglich investierten Quoten sind wegen der steigenden Aktienmärkte leicht zurückgegangen. Weil wir davon ausgehen, dass Obligationen über viele Jahre eine unattraktive Rendite erzielen werden, verzichten wir bis auf Weiteres auf eine Wiederherstellung («Rebalancing») der ursprünglichen Gewichtung.
Globale Finanzmärkte
Aktien
Die globalen Aktienmärkte verzeichneten mit einem Anstieg von fast 12% den grössten Gewinn im ersten Quartal seit 1998. Grossen Anteil an diesem Aufschwung hatten die aus dem «Fukushima-Trauma» erwachten japanischen Aktien mit einem Sprung von 19%. Grosskapitalisierte Werte wurden favorisiert; dennoch deutet die gute Entwicklung von Schweizer Aktien aus dem Mid- und Small-Cap-Bereich an, dass Aktien aus der konjunktursensitiven zweiten Reihe im zweiten Quartal in den Vordergrund rücken könnten.
Obligationen
Obligationen in Schweizer Franken überflügelten Anleihen aus dem Fremdwährungsbereich. Sogar vor Berücksichtigung der Wechselkursentwicklung liegen die Erstgenannten auf Jahresbasis mit 6.51% gegenüber 5.67% neu in Führung.
Rohwaren
Die mit einem Gewicht von 39% aus dem Energiebereich dominierte Anlagekategorie Rohwaren legte auf Quartalsbasis leicht zu. Gemessen am Thomson Reuters/Jefferies CRB Index liegen Rohwaren auf Jahresbasis jedoch weiterhin im Rückstand (-14%).
Immobilien
Schweizer Immobilien verzeichneten einen kräftigen Anstieg, sowohl auf Quartals- als auch auf Jahresbasis (3.91% resp. 7.49%). Hierzulande ist diese Kategorie nicht vom Problem von Fondsschliessungen und -liquidierungen betroffen. Solche Hiobsbotschaften konzentrieren sich vor allem auf europäische Immobilienfonds.
Währungen
Anleger mit Referenzwährung Schweizer Franken erhielten im abgelaufenen Quartal keine Unterstützung von der Wechselkursentwicklung. Durchs Band verloren die Hauptfremdwährungen an Terrain: EUR -1%, US$ -4%, JPY -11%. Gerade der Euro notiert nach diesem Rückgang wieder gefährlich nahe am Mindestkurs, der von der Schweizerischen Nationalbank im letzten September bei CHF 1.20 festgelegt wurde.