Rückblick
«Wenn alle Recht haben, gibt es ein Drama.»
(Hans Ulrich Bänziger, Schweizer Psychologe und Schriftsteller)
Nach der vom Mathematiker und Nobelpreisträger John Forbes Nash begründeten Spieltheorie verharren die Protagonisten im Fall Griechenland im perfekten Gleichgewicht. Beide Parteien bewegen sich nicht, weil sie davon ausgehen, dass der andere früher oder später nachgeben und einlenken wird. Auf der einen Seite bestehen die Gläubiger auf ihrem Recht, fällige Schulden einzufordern, auf der anderen Seite beanspruchen die griechischen Schuldner ihr Recht auf Solidarität.
Was aber «Recht» ist, muss nicht unbedingt «richtig» sein. Wie beim «Chicken Game» fahren Gläubiger und Schuldner aufeinander zu und hoffen, dass der Gegner kurz vor dem Zusammenprall ausscheren wird. Wenn beide felsenfest davon überzeugt sind, Recht zu haben, dann gibt es ein Drama.
Für Anleger in der Referenzwährung Franken war das letzte Quartal zwar kein Drama, aber dennoch wenig erfreulich. Der global investierende Aktienindex MSCI World notierte Ende Juni im Vergleich zu Ende März praktisch unverändert, doch da sich der Dollar im selben Zeitraum zum Franken fast 4% abwertete, resultierte ein Verlust. Eine positive Rendite kann immerhin vermelden, wer auf Jahresbasis und in Franken rechnet: Aktien in der Schweiz und im Ausland haben um 5 resp. 7% zugelegt.
Das Eingehen von Zins- und Währungsrisiken und die Suche nach Diversifikation haben sich für Schweizer Anleger nicht gelohnt. Fremdwährungsobligationen erzielten über zwölf Monate einen Verlust von 2%, und Rohwaren gaben um 21% nach. Anlagen in Frankenobligationen und Schweizer Immobilien verzeichneten über ein Jahr gerechnet einen erfreulichen Wertzuwachs von 4 resp. 13%, obwohl sie im zweiten Quartal 2015 eine Kurseinbusse von 1 resp. 5% erlitten.
Ausblick
«Wer sich leicht ablenken lässt, muss viele Umwege in Kauf nehmen.» (Ernst Ferstl, österreichischer Lehrer, Dichter und Aphoristiker)
Griechenland ist in aller Munde, und die Zeitungen sind voll von Fakten, Spekulationen und Prognosen. Wir könnten versucht sein, inmitten der Masse stehend neue Gedanken aufzuwerfen und die mögliche Reaktion der Märkte zu antizipieren. Doch das scheint uns erstens nicht möglich, und zweitens befürchten wir, dass das Gezänk um Griechenland von einem aus einer anderen Richtung aufziehenden Gewitter ablenken könnte.
Nachdem die Börse in Shanghai in den letzten zwölf Monaten eine fulminante Rally hingelegt hatte, korrigierten die chinesischen Aktienindizes ab Mitte Juni deutlich. Der Preisrückgang von mehr als 30% entspricht einem Verlust in der Höhe der Marktkapitalisierung des gesamten deutschen Aktienmarktes. Obschon der Aktienmarkt Festlandchinas praktisch nicht mit dem Ausland verflochten ist – weniger als 2% der betroffenen Aktien sind im Besitz von ausländischen Investoren –, besteht die Gefahr negativer realwirtschaftlicher Auswirkungen auf die asiatische Wirtschaftsentwicklung und somit über Umwege auch auf die Weltwirtschaft.
Anlageklasse | Index | Rendite über 3 Monate, per 30.06.2015 | Rendite über 12 Monate, per 30.06.2015 |
---|---|---|---|
Aktien Welt | MSCI World Net USD | 0.31% | 1.43% |
Aktien Schweiz | Swiss Performance Index | -2.39% | 5.48% |
Obligationen Welt | JPM GBI Global Traded TR USD | -1.68% | -7.46% |
Obligationen Schweiz | Swiss Bond Index AAA-BBB TR | -0.93% | 4.22% |
Rohwaren | Thomson Reuters/Jefferies CRB TR USD | 7.23% | -26.28% |
Immobilien Schweiz | SXI Real Estate® TR CHF | -4.86% | 12.88% |
Wechselkurs EUR/CHF | -0.15% | -14.18% | |
Wechselkurs USD/CHF | -3.81% | 5.48% |
Vorerst aber haben wir das defensive Zielportfolio 1 verlassen und sind in einem ersten Schritt per Ende April in das Zielportfolio 4 gewechselt. Damit haben wir der Entwicklung Rechnung getragen, dass sich das Gros der Marktvolatilität wieder durch mehrere Faktoren erklären lässt. Nach Aussage unseres Systemic Risk Index (SRI) ist der Markt seither breiter abgestützt, und die Gefahr von starken Korrekturen hat sich deutlich reduziert.
Mitte Juni wurde ein zweiter Schritt ins Zielportfolio 5 vollzogen, das ein Übergewicht von Realwerten empfiehlt. Der kurzfristig zu interpretierende Turbulence Index (TI) schwächte sich etwas ab und zeigte an, dass die sich aussergewöhnlich verhaltenden Korrelationen (Gleichläufigkeit der Renditen unter den Anlageklassen) zu normalisieren begannen. Entsprechend halten wir nun 55 bis 60% unserer Anlagen in Realwerten, Ende März waren es 20 bis 25%. In Nominalwerten sind wir im Vergleich zur Benchmark untergewichtet, die Duration (gewichtete Laufzeit bis zum Endverfall) belassen wir bei etwa einem bis zwei Jahren unter dem neutralen Wert.
Unsere Indikatoren mögen der aktuellen Stimmung rund um Griechenland und China auf den ersten Blick widersprechen, das Bauchgefühl mahnt eher zu Vorsicht. Emotionen sind jedoch ein schlechter Ratgeber beim Anlegen. Wir gehen aufgrund der Werte unserer Indikatoren davon aus, dass ein beträchtlicher Teil der schlechten Nachrichten im Markt bereits eingepreist ist. Von einer weiteren Erhöhung der Realwertquote sehen wir aber ab, da nicht alle Hindernisse aus dem Weg geräumt sind:
- Die Tiefzinspolitik der Zentralbanken drängt die Anleger nach wie vor aus Nominalwerten wie Liquidität und Obligationen in Aktien. Gemäss Erhebungen der Branchenorganisation Swiss Funds Association (SFA) hielten Anleger per Ende Mai dieses Jahres 39% der in Fonds investierten Gelder in Aktienfonds. Unsere Auswertungen haben gezeigt, dass dies ein absoluter Höchstwert seit der ersten Datenerhebung im Jahr 1998 ist. Ebenso zeigte sich, dass bei einer Aktienquote von 36% und mehr die Rendite des Swiss Performance Index (SPI) in vier Fünfteln aller Fälle während der nachfolgenden zwölf Monate negativ war.
- Seit dem 1. Mai befinden wir uns auch in der Halbjahresperiode, die für Aktienanlagen normalerweise ein ungünstiges Rendite-Risiko-Verhältnis aufweist. Daten seit mehr als 100 Jahren zeigen, dass die sechs Monate von Anfang Mai bis Ende Oktober sowohl durch ein höheres Risiko (basierend auf Tagesschwankungen) als auch durch eine tiefere Rendite (basierend auf Tagesrenditen) gekennzeichnet sind.
Unsere Vorsicht während des ersten Semesters 2015 ist per Ende Juni einer zeitweiligen Zuversicht gewichen. Die Märkte haben durch ihre Konsolidierung in den letzten Monaten an Kraft gewonnen. In der Folge wechselten wir in Sachwerten von einem Untergewicht auf ein Übergewicht. Allerdings haben sich unsere Indikatoren per Mitte Juli 2015 bereits wieder verschlechtert. Darauf reagieren wir mit einer Reduktion der Sachwertquote auf ein nun neutrales Niveau.
Globale Finanzmärkte – Rückblick
(Vergleiche vorangehende Tabelle)
Aktien
Global konnten sich Aktien bis zum Quartalsabschluss am 30. Juni mit einem knappen Plus von 0,31% in den grünen Bereich retten. Zu verdanken war diese bescheidene Wertzunahme vor allem den asiatischen Aktienmärkten, da der japanische Nikkei und der Hang Seng in Hongkong beide eine Perfomance von mehr als 5% verbuchten. Die europäischen Aktienmärkte wurden jedoch von der Entwicklung in Griechenland belastet. Der deutsche Leitindex Dax gab von April bis Juni um 9% nach, der Euro Stoxx 50 verlor in derselben Periode 7% an Wert. Die Titel des Swiss Performance Index konnten sich mit einem Minus von 2% knapp behaupten, in den USA schloss der S&P 500 das zweite Quartal unverändert.
Obligationen
Weltweit haben die historisch tiefen Zinsen die Schuldner animiert, langlaufende Obligationen mit Coupons nahe null zu platzieren. Entsprechend ist die Duration in den Indizes schrittweise gestiegen, was in den letzten Monaten in einer Zunahme des inhärenten Zinsänderungsrisikos resultierte. In der Folge haben die leicht höheren Zinsen am langen Ende der Zinskurve zu einem Quartalsverlust sowohl bei Obligationen in Franken (–1%) als auch in Fremdwährung (–2%) geführt.
Rohwaren
Die Rohwarenpreise zeigten im abgelaufenen Quartal eine deutliche Gegenbewegung zum langjährigen Abwärtstrend. Der Quartalsanstieg von 7% hatte zur Folge, dass sich der Verlust über zwölf Monate bei 26% stabilisieren konnte. Von langer Dauer dürfte die Erholung an den Rohstoffmärkten jedoch nicht sein: Ab Mitte Juni erhöhte der Preiseinbruch an den chinesischen Aktienmärkten die hartnäckigen Sorgen um das Wirtschaftswachstum des grössten Rohstoffimporteurs der Welt. Kühlt sich die Konjunktur Chinas weiter ab, wird auch die Nachfrage nach Industrierohwaren deutlich zurückgehen.
Immobilien
Der mehrmonatige Anstieg des Agios (Aufpreis gegenüber dem Nettovermögen) von Schweizer Immobilienfonds kam im letzten Quartal abrupt zum Stillstand. Gewinnmitnahmen sorgten für einen Verlust von 5%, auf Jahresbasis gerechnet verblieb jedoch eine zweistellige Indexzunahme von 13%. Härter traf es amerikanische Immobilienfonds; sie erlitten von April bis Juni ein Minus von 10% und ihre Jahresperformance beträgt nur noch 4%.
Währungen
Trotz der Griechenlandkrise konnte sich der Euro gegenüber dem Franken stabilisieren. Die Vor- und die Nachteile eines Grexit scheinen etwa gleich viele Anhänger zu finden, und dementsprechend notierte der Euro-Franken-Kurs im zweiten Quartal unverändert. Gegenüber dem Dollar festigte sich die Einheitswährung sogar um knapp 4%.