Rückblick
«Zum Hoffen gehört das Vergessen.»
(Sigbert Latzel, deutscher Philosoph und Schriftsteller)
Die Hoffnung für das abgelaufene Jahr war gross, doch es war ein Jahr zum Vergessen. Die Wertentwicklung der wichtigsten Anlagekategorien lag im tiefen einstelligen Prozentbereich oder gar unter dem Nullpunkt.
Nur ein Mal seit der Finanzkrise 2008/2009 verzeichnete die globale Richtgrösse für die Entwicklung der Aktienmärkte, der MSCI World, ein schlechteres Jahr als 2015. Während 2011 vor allem politische Gründe rund um das Wiederaufflackern der europäischen Schuldenkrise auf die Stimmung der Anleger drückten, sorgten in den vergangenen zwölf Monaten die Zentralbanken für Ernüchterung. Den einen handelte die Schweizerische Nationalbank (SNB) zu forsch, als sie am 15. Januar den Mindestkurs von 1.20 Franken pro Euro aufhob. Die anderen fühlten sich von der US-Notenbank Fed gegängelt, da sie die erste Leitzinsanhebung seit 2006 wiederholt hinauszögerte. Doch als das Federal Reserve Mitte Dezember endlich Ernst machte und mit einem ersten Zinsschritt von 25 Basispunkten die Wende wagte, steigerte sich die Unsicherheit unter den Marktteilnehmern so sehr, dass die traditionelle Jahresendrally an der Wallstreet ins Wasser fiel.
Die Rohstoffe mussten im abgelaufenen Jahr den höchsten Wertverlust hinnehmen. Prall gefüllte Erdöltanks und die erwartete Rückkehr des Irans als bedeutender Anbieter auf dem Weltmarkt liessen den Preis für Rohöl der europäischen Sorte Brent um mehr als 30% abstürzen. Die brisante geopolitische Lage, die im Abschuss eines Flugzeugs zwischen historisch verfeindeten Staaten kulminierte, vermochte den Edelmetallen erstaunlicherweise keinen Schub zu verleihen. Gold und Silber notierten Ende Dezember mehr als 10% tiefer als ein Jahr zuvor – die mageren Inflationsaussichten scheinen andere Entwicklungen zu übersteuern und werden als negativer Treiber der Edelmetallpreise wahrgenommen.
Ähnlich hohe Preiskorrekturen wie bei den Rohwaren gab es bei den Währungen. Doch die Schweizerische Nationalbank traf im Jahresverlauf nicht mehr die Schuld: Der Euro verlor gegenüber dem Franken knapp 10% an Wert, dies war jedoch nicht exklusiv auf das Wegfallen des Euromindestkurses zurückzuführen. Die Einheitswährung musste zum Dollar noch stärkere Einbussen hinnehmen, und die Investition in den deutschen Leitindex Dax endete für amerikanische Anleger mit einer Nullrunde. Kurzum, im Jahr 2015 war der Euro gegenüber allen anderen wichtigen Währungen schwach.
Ausblick
«Hoffnung schadet der Resignation.»
(Walter Ludin, Schweizer Theologe und Autor)
Es ist nicht klar, von wo dieses Jahr positive Impulse für die Finanzmärkte stammen sollen. Einerseits zeigt das Studium der Finanzzeitungen, dass die Aussichten für die Weltwirtschaft sehr verhalten daherkommen. Anderseits wird den Aktienmärkten mangels Alternativen durchaus verhaltener Optimismus entgegengebracht. Mit der Hoffnung, Aktien würden sich vom Wirtschaftsverlauf und von der Zinsentwicklung in den USA abkoppeln, versucht die Finanzgemeinde offensichtlich, die Resignation zu umgehen.
Dieser Argumentation können wir durchaus etwas Sympathie abgewinnen, zumal es sich anhand langfristiger Daten zeigen lässt, dass sich die Aktienmärkte nur selten im Schlepptau des Wirtschaftsverlaufs entwickeln. Zwar ist die Gleichläufigkeit (Korrelation) enttäuschend klein, doch es ist unbestritten, dass die Börsenentwicklung häufig die reale Wirtschaftsentwicklung vorwegnimmt.
Unser Gefallen an der These der abgekoppelten Aktienmärkte endet jedoch spätestens bei der Betrachtung der fundamentalen Rahmenbedingungen. Weitere Zinsschritte der amerikanischen Zentralbank werden die geldpolitische Divergenz zur Eurozone verstärken und den Stress in den Finanzmärkten erhöhen. Aktien sind nicht günstig, und die Aktienmärkte würden im Frühling 2016 in das achte Bullenjahr treten: Seit März 2009 kennen Aktien nur den Weg nach oben; ohne eine Korrektur von 20%, was als Definition für einen Bärenmarkt gilt.
Anlageklasse | Index | Rendite über 3 Monate, per 31.12.2015 | Rendite über 12 Monate, per 31.12.2015 |
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Aktien Welt | MSCI World Net USD | 5,50% | -0,87% |
Aktien Schweiz | Swiss Performance Index | 4,77% | 2,68% |
Obligationen Welt | JPM GBI Global Traded TR USD | -1,15% | -2,61% |
Obligationen Schweiz | Swiss Bond Index AAA-BBB TR | -0,09% | 1,77% |
Rohwaren | Thomson Reuters/Jefferies CRB TR USD | -9,00% | -23,30% |
Immobilien Schweiz | SXI Real Estate® TR CHF | 2,80% | 4,17% |
Wechselkurs EUR/CHF | 0,00% | -9,55% | |
Wechselkurs USD/CHF | 2,92% | 1,24% |
- Unsere prospektiven Risikoindikatoren zeigen nach wie vor eine überdurchschnittlich hohe Risikokonzentration und mahnen somit zur Vorsicht.
- Gemäss Erhebungen der Branchenorganisation Swiss Funds Association (SFA) betrug das Verhältnis zwischen investiertem Kapital in Aktienfonds und investierten Mitteln in Obligationen- und Geldmarktfonds per November hohe 101%. Seit Beginn der Datenerhebung vor 20 Jahren haben wir 14 Fälle beobachtet, wo dieser Wert mehr als 95% betrug. Unsere Auswertungen zeigen, dass in keinem einzigen Fall eine positive Jahresrendite des Swiss Performance Index (SPI) folgte. Der Verlust über die nachfolgenden zwölf Monate betrug durchschnittlich 21%.
- Halten Anleger am Jahresanfang eine hohe Aktienquote, müssen sie damit rechnen, dass sie den Obligationenindizes hinterherhinken werden. Daten der Schweizerischen Nationalbank deuten darauf hin, dass die Aktienquote im Januar 2016 zwischen 40 und 45% liegen wird. Das bedeutet, dass Aktien nach zwölf Monaten um durchschnittlich 4% schlechter abschneiden werden als Obligationen.
- Verschiedene Indikatoren aus dem Lager der technischen Analyse deuten auf die Fragilität der Weltmärkte hin. Viele Aktien- und Obligationenindizes zeigen im Vergleich zu ihrem gleitenden Durchschnitt Werte, die die Wahrscheinlichkeit eines Trends zu tieferen Kursen nahelegen. Die global berechnete «Advance-Decline Line», das Verhältnis von Gewinner- zu Verliereraktien, weist zudem ausgeprägte Ermüdungserscheinungen auf.
Globale Finanzmärkte – Rückblick
(Vergleiche vorangehende Tabelle)
Aktien
Nur das Setzen auf Einzelaktien konnte wohl verhindern, dass mit Aktienanlagen ein Verlust eingefahren wurde. Am schlechtesten weg kamen Investoren mit einem Engagement in die Emerging Markets (–15%) und in Hongkong (–7%). Zum Jahresende unverändert schlossen der sehr breit investierende amerikanische Index S&P 500 (–1%) sowie der globale MSCI World (–1%). In Indizes, die Kursgewinne verzeichneten, führten Währungsverluste zu einem Nullsummenspiel für Anleger in Franken. Der deutsche Dax avancierte 10%, der MSCI Europe 8%, doch der Euro verlor 10% zur Schweizer Valuta. Unter den «grossen» Indizes setzte sich lediglich der japanische Nikkei mit einem Plus von 9% positiv in Szene.
Obligationen
Die Obligationenindizes scheinen ihre Höchstwerte im abgelaufenen Jahr überschritten zu haben. Noch halten sie sich nahe den historischen Hochs, das heisst auf einer Renditebasis um den Nullpunkt. Der in Frankenanleihen mit einem Gütesiegel zwischen BBB und AAA investierende Swiss Bond Index hat bis zum Jahresende noch eine Rendite von 2% erzielt, der global diversifizierende Obligationenindex JPM GBI Global Traded hat über die letzten zwölf Monate bereits 3% verloren.
Rohwaren
Rohstoffe waren die Verlierer des Jahres 2015. Der gemischte Index von Thomson Reuters stürzte auf ein Niveau ab, das zum letzten Mal im Frühling 2003, zum Tiefpunkt der geplatzten Internetblase, erreicht worden war. Der prominenteste Verlierer war das Öl, wobei die Sorte Brent heute 67% unter dem Wert vor zwei Jahren liegt.
Immobilien
Schweizer Immobilienfonds erzielten einen Gewinn von 4% und behaupteten sich somit vor den Aktien und den Obligationen. Sogar noch leicht besser erging es Investoren, die ihre Immobilienanlagen im Dollarraum vornahmen. US-Immobilien bescherten dem in Franken rechnenden Anleger einen Wertzuwachs von 5%.
Währungen
Kursbewegungen in den letzten Stunden des abgelaufenen Jahres sorgten für einen kleinen Gewinn im Währungspaar Dollar/Franken. Dieses nochmalige Erstarken des Dollars zementierte die schwache Entwicklung des Euros sowohl zur amerikanischen Valuta (–11%) als auch zum Franken (–10%).