Es wird immer anders, als man sich irrt.
– Erhard Horst Bellermann, deutscher Bauingenieur, Dichter und Aphoristiker
Das soll noch einer verstehen. Da beschliesst doch die US-Notenbank Mitte September 2012 die dritte Auflage der quantitativen Lockerung (QE3) und keiner, weder Kritiker noch Befürworter, weder Bär noch Bulle, kann nach Ablauf des 4. Quartals 2012 eine konsistent richtige Prognose für die Weltaktienmärkte reklamieren: Ausgerechnet der US-Aktienmarkt kam nicht mehr vom Fleck, während dem die wichtigsten Indizes in Europa und Asien frohlockten und deutliche Gewinne verzeichneten.
Auf den Ausgang des gesamten Aktienjahrs hatte das 4. Quartal allerdings nur wenig Einfluss. Unisono verzeichneten die Weltaktienmärkte prozentual zweistellige Gewinne. Am besten setzten sich dabei die Börsen in Fernost in Szene. Grund für diese erfreuliche Entwicklung waren nicht etwa hervorragende Wirtschaftszahlen, steigende Unternehmensgewinne, eine Entwarnung an der Schuldenfront oder die Konsolidierung der Staatshaushalte. Nach unserer Einschätzung sorgte der weitverbreitete Pessimismus der Anleger, begleitet von historisch tiefen Aktienquoten dafür, dass trotz zahlreicher schlechter Nachrichten keine substanziellen Verkaufslawinen losgetreten wurden. Wie bereits vor einem Jahr an dieser Stelle beschrieben, hat der Markt einmal mehr die sprichwörtliche «Wall of worry», die Mauer der Sorgen, erklommen.
Die meisten Prognosen sind gut, aber die Zukunft kümmert sich wenig darum.
– Prof. Dr. Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger, deutscher Chemiker
Natürlich kümmern wir uns um die Zukunft, prognostizieren wollen wir sie aber nicht. Weshalb wir einen gesunden Abstand zu Prognosen wahren, lässt sich mit den folgenden Worten begründen: «Es ist einfacher herauszufinden, ob etwas fragil ist, als ein Ereignis zu prognostizieren, welches Schaden verursachen kann.» (Nassim Nicholas Taleb, Antifragile, Prolog Seite 4)
Nach unserer Einschätzung hat sich die Stabilität der Finanzmärkte gegenüber dem bereits robusten 4. Quartal 2012 nochmals verbessert. Während dem sich der SRI (Systemic Risk Index) weit unter dem historischen Durchschnitt seitwärts entwickelt, nähert sich der TI (Turbulence Index) den Tiefstwerten von April 2010. Wenn wir die Gedanken von Taleb am Beispiel der aktuellen Diskussionen um das US-Budget (Fiscal Cliff) weiterführen, bedeutet dies Folgendes: Die Streitigkeiten haben durchaus das Potenzial, den Finanzmärkten zu schaden. Mögliche Verwerfungen dürften jedoch nur von kurzer Natur sein, treffen sie doch auf einen Markt, der sehr robust und damit aufnahmefähig für schlechte Nachrichten ist.
Anlageklasse | Index | Rendite über 3 Monate per 31.12.2012 | Rendite über 12 Monate per 31.12.2012 |
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Aktien Global | MSCI World Net US$ | 2.49% | 15.83% |
Aktien Schweiz | Swiss Performance Index | 4.65% | 17.72% |
Obligationen Welt | JPM GBI Global Traded TR USD | -1.84% | 1.29% |
Obligationen Schweiz | Swiss Bond Index AAA-BBB TR | 0.39% | 4.21% |
Rohwaren | Thomson Reuters/Jefferies CRB TR USD | -3.40% | -4.65% |
Immobilien Schweiz | SXI Real Estate® TR | 0.94% | 7.95% |
Wechselkurs EUR/CHF | -0.09% | -0.81% | |
Wechselkurs USD/CHF | -2.81% | -2.59% |
Seit 7. Dezember 2012 befinden wir uns im Risikoregime «Calm Markets». Unsere historische Analyse zeigt, dass sich diese «ruhigen Märkte» durch überdurchschnittliche Renditen bei gleichzeitig unterdurchschnittlichen Risiken auszeichnen. Die Haupttreiber der Finanzmärkte sind in diesen Zeiten nur lose miteinander verknüpft, dadurch haben schlechte Nachrichten ein deutlich geringeres Potenzial für Turbulenzen zu sorgen. Konsequenterweise haben wir im vierten Quartal 2012 den Schritt in das Zielportfolio 6 vollzogen und sind somit auf der höchsten Risikostufe angelangt.
Unterstützt wird unsere Positionierung durch die folgenden zusätzlichen Argumente:
Aktien werden selbst nach diesem guten Börsenjahr gemieden. Schweizer Anleger halten trotz des Anstiegs des Swiss Performance Index (+18%) nur noch 30% ihres Depots in Aktien. Im August 2000 hielten sie 53%.
Die Blasenbildung im Obligationenmarkt setzt sich ungebremst fort. Im abgelaufenen Jahr wurde neues Geld im Umfang von USD 262 Mrd. in US-Obligationenfonds gepumpt, zehn Mal mehr als in US-Aktienfonds.
Der Anlagenotstand im Obligationenbereich hat Schweizer Pensionskassen hauptsächlich in Immobilien gedrängt. Mit 21% liegt deren Anteil am Gesamtvermögen mittlerweile 6% über dem langjährigen Durchschnitt. Innerhalb der Realwertquote haben Investitionen in Aktien deutlichen Nachholbedarf.
Saisonale Gründe sprechen für ein deutliches Aktienübergewicht. Bis ins 2. Quartal 2013 hinein dürften Aktien gegenüber Obligationen eine Mehrrendite erzielen.
Globale Finanzmärkte – Rückblick
Aktien
Die globalen Aktienmärkte bauten im 4. Quartal 2012 die seit Jahresbeginn aufgelaufenen Gewinne nochmals aus. Im Schlepptau der beiden grossen asiatischen Börsenplätze Hongkong und Tokio (je +23% p.a.) verzeichneten auch die Indizes in Europa – mit Ausnahme der gebeutelten Märkte in Südeuropa – prozentual zweistellige Gewinne über zwölf Monate. Die von der Eurokrise auf den ersten Blick am wenigsten tangierten Börsenplätze in den USA konnte mit den Besten nicht ganz mithalten: der Dow Jones der Industriewerte, das globale Börsenbarometer schlechthin, legte lediglich 7% zu.
Obligationen
Obligationen in Schweizer Franken und in Fremdwährungen lieferten sich lange Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zum Jahresende obsiegten jedoch Werte in Schweizer Franken mit einem Gewinn von über 4%. Obligationen in US-Dollar rutschten sogar leicht ins Minus. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass der Hauptanteil des Renditebeitrags von Kursgewinnen stammt. Die historisch tiefen Zinscoupons bergen deshalb eine latente Gefahr von ungewohnt hohen Kursverlusten. Die Anlageklasse Obligationen sollte deshalb deutlich untergewichtet werden.
Rohwaren
Die im Thomson Reuters/Jefferies CRB Index zusammengefassten Rohwaren sorgten für das schlechteste Ergebnis innerhalb der Realwerte. Vor allem aufgrund der schwachen Entwicklung des US-Dollar gegenüber dem Schweizer Franken im 4. Quartal 2012 resultierte sowohl auf Quartals- als auch auf Jahresbasis eine negative Rendite.
Immobilien
Trotz der Verschnaufpause im 2. Halbjahr 2012 erfüllten Immobilienanlagen die Erwartungen. Schweizer Immobilienfonds erzielten auf Jahresbasis über 7% Rendite, Investitionen in amerikanische Immobilien legten nach Abzug der leichten Verluste im US-Dollar über 15% in Schweizer Franken zu.
Währungen
Entgegen unserer Erwartung näherte sich der USD/CHF-Wechselkurs im 4. Quartal 2012 nicht der Parität. Zum Jahresende schwächte er sich nochmals leicht ab und steht nun unter dem Stand von Dezember 2011. Die Interventionen der Schweizerischen Nationalbank SNB zu Gunsten von Euro und US-Dollar haben sich zwar auf den ersten Blick bewährt, verlieren doch beide Währungen gegen den Schweizer Franken nur 1% respektive 3% über die letzten zwölf Monate. Ob sich der Kauf von Devisen nachträglich als Pyrrhussieg herausstellen wird, muss die Zukunft weisen.