Auch ein Tiefpunkt erreicht seinen Höhepunkt.
– Almut Adler, Fotografin, Autorin, Lyrikerin und Aphoristikerin
Am Montag, 25. Juni 2012, hat das hoch verschuldete Zypern als fünftes Land offiziell Finanzhilfen aus dem Euro-Rettungsfonds EFSF beantragt. Wurde mit diesem Tiefpunkt nun endlich der Höhepunkt in der Eurokrise erreicht?
Zu wünschen wäre es den Aktienmärkten, schmolzen doch die Gewinne aus dem ersten Quartal 2012 wie Schnee in der Sonne. Demgegenüber setzten Obligationenindizes scheinbar ungehindert ihre Fahrt auf der Einbahnstrasse gen Norden fort. Nur das Streben der Verfallrenditen von AAA-Staatsanleihen gegen oder sogar unter Null Prozent lässt erahnen, dass sich der dreissigjährige Trend zu tieferen Renditen dem Ende zuneigt.
Das Publikum beklatscht ein Feuerwerk, aber keinen Sonnenaufgang.
Aufgrund der positiven Ergebnisse des EU-Krisengipfels konnten die Weltaktienmärkte am letzten Tag des zweiten Quartals 2012 deutliche Kursgewinne verbuchen. Seit Ausbrechen der Finanzkrise im Jahre 2007, ja sogar seit dem Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des Millenniums haben sich solche Freudensprünge jedoch regelmässig als Eintagsfliegen erwiesen. Es ist deshalb nicht weiter erstaunlich, dass das Börsenpublikum so reagiert, wie es Christian Friedrich Hebbel, deutscher Dramatiker und Lyriker, nüchtern beschreibt: Das einmalige Feuerwerk wird beklatscht, für mehr wird es aber kaum reichen. Der in den 1990er-Jahren regelmässig zu beobachtende (Börsen-) Sonnenaufgang hat sich schon zu lange nicht mehr blicken lassen, und die Wahrscheinlichkeit für eine Morgendämmerung mit nachhaltigem Sonnenaufgang liegt angesichts der Eurokrise wohl nahe bei Null, müsste man meinen.
Dieser Einschätzung widerspricht jedoch der wichtigste Stein im Mosaik unserer umfassenden Finanzmarkteinschätzung. Gemessen an unseren proprietären Indikatoren haben sich die systemischen Risiken reduziert. Nach unserer Einschätzung können die Märkte für risikoreiche Anlagen heute schlechte Nachrichten deutlich besser absorbieren als vor drei Monaten. Wir halten deshalb trotz anhaltender Schwankungen im Risikoprofil PARtact eine Quote von 57 % an Realwerten.
Wir glauben nicht, dass das Ende der Eurokrise in Sicht ist, gehen jedoch davon aus, dass es immer wieder Phasen geben wird, in denen sich die Märkte aus verschiedenen Gründen positiv entwickeln können.
Anlageklasse | Index | Rendite über 3 Monate per 30.06.2012 | Rendite über 12 Monate per 30.06.2012 |
---|---|---|---|
Aktien Global | MSCI World Net US$ | -5.07% | -4.98% |
Aktien Schweiz | Swiss Performance Index | -1.44% | -0.90% |
Obligationen Welt | JPM GBI Global Traded TR USD | 0.39% | 3.99% |
Obligationen Schweiz | Swiss Bond Index AAA-BBB TR | 1.08% | 5.76% |
Rohwaren | Thomson Reuters/Jefferies CRB TR | -7.85% | -15.89% |
Immobilien Schweiz | SXI Real Estate® TR | 2.97% | 8.24% |
Wechselkurs EUR/CHF | -0.22% | -1.45% | |
Wechselkurs USD/CHF | 4.96% | 12.85% |
Auf der Liste unserer Argumente für einen bevorstehenden «Big Shift», der grossen Trendwende von Obligationen hin zu Aktien, hat sich seit dem ersten Quartal 2012 keine wesentliche Veränderung ergeben:
- Sowohl institutionelle als auch private Anleger halten heute historisch tiefe Aktienquoten.
- Die massiven Mittelzuflüsse in Obligationenfonds sind noch nicht zum Stillstand gekommen, ein grosser Teil davon wird aus Aktienfonds abgezogen. Eine möglicherweise bevorstehende – wenn auch nicht dramatische – Zinswende dürfte zu langanhaltenden Umschichtungen aus dieser längere Zeit bevorzugten Anlageklasse führen, mit entsprechendem Kaufdruck auf die Aktienmärkte.
- Das Aufholpotenzial von Aktien gegenüber Obligationen ist unverändert gross. Über die letzten zehn Jahre liegen US-Aktien gegenüber Staatsanleihen mit 68 % Rendite im Rückstand. Schweizer Aktien haben im Vergleich zu Anleihen der Eidgenossenschaft 16 % weniger Rendite erzielt.
Natürlich kann weder der Zeitpunkt noch die Richtung dieses «Big Shift» prognostiziert werden. Es ist durchaus möglich, dass die Mittel aus dem Verkauf von masslos überteuerten Obligationen nicht direkt in Aktien fliessen, sondern den Umweg über andere Realwerte nehmen werden. Dieser Wahrscheinlichkeit wurde insofern Rechnung getragen, als wir mit einer leicht höheren Immobilienquote sowohl in den PARcore- als auch PARtact-Profilen ins dritte Quartal 2012 gestartet sind. Staatsanleihen in Schweizer Franken haben wir liquidiert, negative Verfallrenditen sind für uns ein untrügliches Zeichen für Übertreibungen mit Potenzial für Enttäuschung.
Globale Finanzmärkte
Aktien
An den globalen Aktienmärkten setzten nach dem rekordverdächtigen Vorquartal die Gewinnmitnahmen ein. Am deutlichsten unter die Räder kam der japanische Aktienmarkt mit einem Verlust von 11%, dicht gefolgt von Werten aus der Kernregion der Eurokrise. Die im EURO STOXX 50 gehandelten grosskapitalisierten Aktien verloren 9%. Dank dem eingangs beschriebenen Feuerwerk in den letzten Junitagen kamen die Indizes in der Schweiz und den USA glimpflich davon. Unter Berücksichtigung der ausbezahlten Dividenden verlor der Swiss Performance Index lediglich 1.44%, der 30 US-Werte umfassende Dow Jones schloss bescheidene 2.51% tiefer.
Obligationen
Obligationen in Schweizer Franken konnten nochmals von den Sorgen um den Euro profitieren. Ein Zeichen für die blasenähnliche Entwicklung sind die negativen Verfallrenditen von kurz- bis mittelfristig laufenden Anleihen der Eidgenossenschaft sowie die extrem flache Zinskurve. Konsequenterweise haben wir uns Ende Mai 2012 von allen CHF-Staatsanleihen verabschiedet.
Rohwaren
Die im Thomson Reuters/Jefferies CRB Index zusammengefassten Rohwaren bewegten sich im Gleichschritt mit den Aktien. Unter Führung der Edelmetalle – die Silberunze verlor 17% seit Ende März 2012 – gab der diversifizierte Korb um 8% nach.
Immobilien
Der Aufwärtsdruck auf Schweizer Immobilien setzte sich fort. Die Wachstumsraten konnten gegenüber dem 1. Quartal gehalten werden: +2.97% seit März, +8.24% seit Juni 2011. Wir gehen nicht davon aus, dass die Trendwende kurz vor der Tür steht. Besitzer von masslos überteuerten Obligationen könnten bei Umschichtungen in Realwerte einer Investition in Immobilien den Vorzug gegenüber Anlagen in Aktien geben.
Währungen
In Schweizer Franken rechnende Investoren können vom Euro keinen positiven Beitrag erwarten. Die Einheitswährung hat sich bei CHF 1.20 «festgebissen», und die Absicherung wird von der Schweizerischen Nationalbank vorgenommen. Der US-Dollar befindet sich in seinem traditionellen Gegenrallye im Jahr der amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Im 2. Quartal 2012 legte er knapp 5% zu, und dieser Trend könnte sich bis in den November fortsetzen.