Rückblick
«Heute gelten die Vorsichtigen als ewige Pessimisten, auch wenn sie bloss über mögliche Rückschläge nachdenken.»
(Jacques E. Stauffer, CEO, PARSUMO Capital AG)
Das erste Quartal 2019 hat alle Rekorde der letzten 30 Jahre gebrochen und geht in die Geschichtsbücher ein. Wer hätte das gedacht? Die meisten Investoren würden ehrlicherweise mit «kaum jemand» antworten. Wie ist das erklärbar, und warum scheinen sich sämtliche Argumente von einer Woche auf die andere zu ändern?
Um es vorweg zu nehmen: Unsere Risikoindikatoren haben sich von Januar bis März deutlich zurückgebildet. Das hat uns veranlasst, an den Markt zurückzukehren. Wir konnten mit unserer vorsichtigen Positionierung Ende 2018 das Tal der Tränen überspringen, mussten jedoch bis zur Bestätigung der verbesserten Risikobedingungen warten und haben somit erst verspätet wieder eine höhere Sachwertquote aufgebaut. Eine solche Strategie hat zwar Opportunitätsverluste zur Folge, sie vermeidet bei einer Fortsetzung der Rückschläge jedoch Verluste, die bei allfälligen Zukäufen gar zusätzlich vergrössert würden.
In unserem letzten Newsletter vom Januar haben wir dieses Szenario wie folgt kommentiert: Damit ist auch angesprochen, welche Risiken nach einer akzentuierten, möglicherweise gar übertriebenen Korrektur auf uns zukommen könnten. Es sind die Opportunitätskosten, die sich genau so rasch aufbauen können, wie zuvor die Rückschläge.
Das Ausmass der Avancen in den verschiedenen Anlageklassen war im ersten Quartal beträchtlich und signalisiert, was für das Jahresergebnis 2019 bereits auf dem Spiel steht:
Anlageklasse | Index | Rendite über 3 Monate, per 31.03.2019 in Basiswährung | Rendite über 12 Monate, per 31.03.2019 in Basiswährung |
---|---|---|---|
Aktien Welt | MSCI World Net USD | 12,48% | 4,01% |
Aktien Schweiz | Swiss Performance Index | 14,35% | 10,32% |
Aktien EM | MSCI Emerging Markets NR USD | 9,91% | -7,41% |
Obligationen Welt | JPM GBI Global Traded TR USD | 1,81% | -1,00% |
Obligationen Schweiz | Swiss Bond Index AAA-BBB TR | 1,83% | 2,60% |
Rohwaren | Thomson Reuters/Jefferies CRB TR USD | 8,85% | -3,87% |
Immobilien Schweiz | SXI Real Estate® Fnds Broad TR | 8,46% | 4,63% |
Immobilien Ausland | FTSE EPRA/NAREIT Global TR USD | 14,98% | 12,36% |
Wechselkurs EUR/CHF | -0,86% | -5,00% | |
Wechselkurs USD/CHF | 1,27% | 4,18% |
Zurzeit halten wir aufgrund der gemessenen Risikoverhältnisse ein leichtes Übergewicht an Sachwerten. Trotz anhaltender geopolitischer Risiken gehen wir davon aus, dass die Märkte weitere Schocks oder negative Nachrichten erstaunlich gut absorbieren können. Wir beobachten denn auch eine erfreuliche Risikodiversifikation und somit eine vorteilhafte Basis für Sachwerte. Die Hausse der letzten acht Jahre geht weiter, die neuen Hochs könnten erneut übertroffen werden. Eine Verlangsamung dieser Entwicklung scheint uns jedoch eine unabdingbare Voraussetzung für eine geordnete Fortsetzung der Avancen zu sein. Andernfalls besteht die Gefahr einer raschen Umkehr, analog zum Dezember 2018, aber mit vergrösserter Amplitude.
Kurzfristige Signale aber langfristiges Handeln
Die Herausforderung, das optimale Timing zu bestimmen und zu nutzen, verleitet jeden Investor immer wieder zu handeln und Änderungen am Portfolio vorzunehmen. Entsprechende Hochs und Tiefs werden als Ziele definiert, allerdings meist im Nachhinein. Aber solange die Märkte nach oben tendieren, kann kein Investor den Markt verlassen und dies schon gar nicht öffentlich bekanntgeben. Es gehört inzwischen zum guten Ton, die Rückschläge indexiert abzusitzen und zu hoffen, dass alles gut wird und die Börsen «es schon richten werden».
Vor noch nicht allzu vielen Jahren sahen Marktteilnehmer und Beobachter das kapitalistische System dem Niedergang nahe und übertrumpften sich gegenseitig mit düsteren Prognosen. Damals waren es die ewigen Optimisten, die sich gegen den Strom stellten und im Gewühl der Emotionen kein Gehör mehr fanden. Heute ist es umgekehrt: Die Vorsichtigen gelten als ewige Pessimisten, auch wenn sie bloss über mögliche Rückschläge nachdenken. In einem Umfeld, in dem kurzfristige Signale mutig machen und langfristiges Handeln nicht gefragt ist, stimmt die Aussage «dem Mutigen gehört die Welt».
Was soll denn schon geschehen, wenn alle gleichsam leiden?
Wir erinnern uns an die Anfangszeiten unseres Vorsorgesystems, als die Vermögen noch sehr bescheiden waren. In den 1980er-Jahren hat die Professionalisierung der heute mächtigen Pensionskassen angefangen, und Fachspezialisten begannen sich Gedanken über die Vorteile der zweiten Säule zu machen. Vor allem die Anbieter von Finanzdienstleistungen rechneten sich viel Potenzial aus und mutmassten, dass sich das stetig wachsende geäufnete Kapital frühestens ab 2020 wieder reduzieren würde. Nach einem einzigartigen Sparprozess haben die Vorsorgevermögen das Niveau von fast 900 Mrd. Franken erreicht (Pensionskassenstatistik 2017, ohne Aktiven aus Versicherungsverträgen).
Wir erinnern uns auch an die Zeiten, als das aktive Management die Regel war und die Vermögensverwalter gute oder schlechte Resultate erzielten. Denn nicht alle konnten den Markt schlagen – und für jeden Gewinner gab es in dieser relativen Betrachtung notgedrungen einen Verlierer.
Heute stehen wir kurz vor dem Jahr 2020. Die geburtenstarken Jahrgänge werden ihre Kapitalien sukzessive abrufen und somit die Herausforderungen der Vorsorgewerke intensivieren. Die tiefen Zinsen, das immer komplexere regulatorische Umfeld sowie die Diskussionen um Umwandlungssatz, Umverteilung und Generationenvertrag machen den Vorsorgeeinrichtungen zu schaffen. Dazu kommen Rückschläge an den Aktienmärkten. Was geschieht, wenn die indexierten Vermögen des Vorsorgesystems allesamt mit dem Markt korrigieren? Was, wenn der Regulator interveniert und bei einer Unterdeckung von Pensionskassen griffige Massnahmen fordert? Und was passiert, wenn Pensionskassen ihre indexierten Produkte notgedrungen verkaufen müssen und dies weitere Vorsorgevermögen in zusätzliche Schieflage bringt?
Auch wenn es heute keine Anzeichen für eine Krise gibt, lohnt es sich, darüber nachzudenken, was in einer solchen Situation ablaufen könnte. 2017 wurden 28 Mrd. Franken an Rentenleistungen erbracht und 8 Mrd. Franken an Kapitalleistungen ausbezahlt. Diese Leistungen werden zunehmen. Die Vorsorgevermögen haben 2017 ein ausgezeichnetes Nettoergebnis von 64 Mrd. Franken erzielt, ein Resultat, das sich 2018 nicht wiederholt hat. Die Schere zwischen Vermögensaufbau und Abflüssen wird weiter auseinandergehen.
Ausblick
«Obwohl sich weltweit ein verlangsamtes Wachstum abzeichnet, entwickeln sich die Aktienmärkte euphorisch. Was bedeutet das?»
(Jacques E. Stauffer, CEO, PARSUMO Capital AG)
Erkenntnisse aus dem Risk Regime Investing (RRI)
Unsere proprietären Risikoindikatoren haben uns im vierten Quartal 2018 den schrittweisen Abbau der Sachwertquote in unseren Portfolios empfohlen. Mitte November reduzierten wir unsere Positionierung auf ein Untergewicht, Mitte Dezember stellten wir die Portfolios in den Schutzmodus. Das half uns, die massiven Marktkorrekturen effizient abzufedern.
Doch der folgende Stimmungsumschwung war erstaunlich: So schnell sich die Risikoverhältnisse Ende 2018 verschlechtert haben, so schnell verbesserten sie sich im ersten Quartal 2019. Von Mitte Januar bis Ende März befanden sich sowohl der Turbulence Index als auch der Systemic Risk Index quasi im freien Fall. Entsprechend haben wir unsere Positionierung im Laufe des Quartals regelbasiert vom tiefsten Risikobudget auf das zweithöchste Risikobudget (Zielportfolio 5) angehoben.
Anstiege und Rückgänge in dieser Heftigkeit und in diesem Tempo sind eher atypisch, und sie mahnen zur Vorsicht. Es gilt, die weitere Entwicklung genau im Auge zu behalten, denn die gute Performance der Aktienmärkte verdeckt die wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken. Wir verfolgen und analysieren unsere Indikatoren täglich.
Erkenntnisse aus der Quantitative Stock Selection (QSS)
Das erste Quartal 2019 lieferte rekordhohe Renditen, war aber auch äusserst dynamisch und kontrovers. Die Investoren schienen sich ganz an das Motto «Gutes ist schlecht, und Schlechtes ist gut» zu halten. Die entsprechenden extremen Entwicklungen entbehren jeder Vernunft. Risikoreiches («High Risk»), Teures («High Valuation») und Schlechtes («Low Quality») ist gefragt, «Momentum» scheint Kopf zu stehen, und sowohl Gewinnschätzungen («Earnings Revisions») als auch Wachstum («Growth») spielen keine grosse Rolle.
Obwohl sich weltweit ein langsameres Wirtschaftswachstum abzeichnet oder bereits eingetreten ist, entwickeln sich die Aktienmärkte euphorisch und mit zweistelligen Zuwachsraten. Sie scheinen keinen Respekt vor der bevorstehenden Konjunkturentwicklung zu haben. Dieses Bild passt recht gut zu der akzentuierten Entwicklung der Risikoverhältnisse – und es verheisst nicht viel Gutes. Ein klarer Trend ist jedoch nicht zu erkennen, die Märkte können in den nächsten drei bis sechs Monaten in beide Richtungen laufen.
Die Resultate des QSS-Ansatzes zeigen, dass ein Abschöpfen der Styleprämien nicht linear verläuft oder monatlich möglich ist. Die neutralen Gewichte hinsichtlich Branchen, Länder und Währungen wirken dagegen beruhigend und reduzieren den Tracking Error, und die ausgewählten Titel senken das Risiko des Portfolios gegenüber der Benchmark.
Globale Finanzmärkte – Rückblick
Aktien
Der Stimmungsumschwung hätte kaum extremer sein können: Auf den schlechtesten Dezember an den US-Börsen seit 1931 folgte der beste Januar seit 1987. Das erste Quartal hat wohl sämtliche Erwartungen übertroffen, und dies weltweit auf breitester Front. Alle wichtigen Leitindizes verzeichneten deutliche Gewinne, meist im höheren zweistelligen Bereich. Der SPI erfreute die Investoren mit der ausgezeichneten Performance von 14,35%, der Aktienindex MSCI World legte 12,48% zu. Schwellenlandaktien gemessen am MSCI Emerging Markets avancierten 9,91% und deuteten ihr grosses Potenzial erneut an. In Franken rechnende Anleger konnten bei in Dollar denominierten Titeln noch zusätzliche Währungsgewinne realisieren.
Obligationen
Obligationen mit Anlagequalität waren 2018 die einzige Anlagekategorie, die sich zumindest leicht über Wasser halten konnte. Auch im ersten Quartal 2019 lieferten sie ansprechende Resultate. Der weltweit investierte Index von JP Morgan avancierte 1,81%, was in Franken gerechnet einer Wertentwicklung von 2,86% entspricht. Frankenanleihen mit einer Bonität zwischen BBB und AAA bewegten sich endlich wieder einmal und beendeten das Quartal mit einem Plus von 1,83%. Der Renditeunterschied zwischen Anleihen mit kurzer und mit langer Laufzeit hat sich nach wie vor praktisch nicht verändert.
Rohwaren
Die Rohwarenpreise zeigten im letzten Jahr hohe, hauptsächlich vom Ölpreis getriebene Kursschwankungen. Als die Notierungen für Rohöl im vierten Quartal um mehr als 40% einbrachen, kollabierten auch die Rohwarenindizes. Seit Anfang Jahr hat der Trend gedreht, und der breit gefasste Rohwarenindex CRB legte im ersten Quartal 2019 um 8,85% zu. Der Rohölpreis erholte sich, die Goldnotierungen schwankten je nach Tageslaune der Investoren auf und ab.
Immobilien
Die US-Notenbank Fed erhöhte die Leitzinsen 2018 im Quartalstakt. Im ersten Quartal 2019 legte sie eine Pause ein, was den Immobilienmärkten enormen Schub verlieh. Im Euroraum und in der Schweiz ist ein Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik der vergangenen Jahre noch immer nicht absehbar, die Zinsen dürften noch für längere Zeit auf ihrem sehr tiefen Niveau verharren. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund schwächerer Konjunkturaussichten im Euroraum. Schweizer Immobilienfonds legten von Januar bis März 8,46% zu, ausländische Immobilienanlagen avancierten gar 14,98% (in Franken 16,16%). Das Vertrauen in die Geldpolitik und in die Immobilienmärkte ist grenzenlos.
Währungen
Der Stopp der Zinserhöhungen der US-Notenbank im ersten Quartal 2019 verordnete der divergierenden Entwicklung der Zinsen zwischen den USA und dem Rest der Welt eine Marschpause und bewegte die Entwicklung der wichtigsten Währungspaare. Der Dollar legte gegenüber dem Franken 1,427% und gegenüber dem Euro 2,09% zu. Die Einheitswährung setzte ihren allgemeinen Schwächekurs fort und gab gegenüber dem Franken 0,86% nach.