Rückblick
«Man kann jemanden zwingen, die Augen
zuzumachen, aber nicht, zu schlafen.» (aus Dänemark)
Die Zentralbanken kennen keine Grenzen. Sie versuchen – mit leicht unterschiedlichen Prioritäten, aber mit allen Mitteln –, die Wirtschaft anzukurbeln, die Börse zu befeuern, die eigene Währung zu schwächen und das Schreckgespenst Deflation abzuwehren. Im besten Fall sollen alle Ziele gleichzeitig erreicht werden.
Besonders unverblümt geht Japans Notenbank vor. Um die Geldbasis um jährlich mehr als 500 Mrd. Euro zu erhöhen, schlägt die Bank of Japan (BoJ) nicht den Umweg über die Obligationenmärkte ein, sondern kauft seit letztem Oktober gleich direkt börsengehandelte Aktienfonds (ETF) und Immobilientrusts (REIT). Etwas konservativer gibt man sich auf dem alten Kontinent. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am 22. Januar 2015 den Kauf von Anleihen am Sekundärmarkt angekündigt. Damit will sie noch stärker gegen die Wachstums- und Inflationsschwäche im Euroraum intervenieren. Von März 2015 bis September 2016 sollen Wertpapiere im Umfang von mehr als 1100 Mrd. Euro erworben werden.
Weshalb sich die Zentralbanken hergeben, für ihre Regierungen den Karren aus dem Dreck zu ziehen, ist uns ein Rätsel. Mit ihrer exzessiven quantitativen Lockerung wollen sie die Verschuldungssituation durch tiefe Zinsen entschärfen und gleichzeitig die Wirtschaft ankurbeln. Weshalb dies über den indirekten Weg, also den Kauf von masslos überteuerten Obligationen über die Börse, geschehen soll, verblüfft uns erst recht. Die wirtschaftliche Erholung lässt immer noch auf sich warten, an den Finanzmärkten jedoch wächst die Gefahr, dass sich Blasen bilden. Früher oder später werden diese Blasen platzen. Man kann die Anleger zwingen, die Augen zuzumachen, aber nicht, zu schlafen.
Ausblick
«Das Böse lässt sich nicht verdrängen, solange es attraktiver
ist als das Gute.» (Ernst Reinhardt, Schweizer Publizist und Aphoristiker)
Es gibt bislang noch kein Instrument, Finanzkrisen verlässlich vorauszusagen. Dieser Aufgabe stellt sich der Physiker Didier Sornette mit seiner Arbeitsgruppe an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. An seinem Financial Crisis Observatory (FCO) simuliert und testet er das Entstehen von Blasen sowie die Möglichkeit, ihr Platzen zu prognostizieren. In seinem Global Bubble Status Report vom März macht er unter anderem die folgende Feststellung: «56% aller europäischen Aktiensektoren und 85% aller globalen Anleihenindizes geben klare Warnsignale.» Für das starke Ansteigen dieser Signale gegenüber dem Vormonat macht er das erwähnte bevorstehende Programm der EZB zur quantitativen Lockerung der Geldpolitik (Quantitative Easing, QE) verantwortlich.
Anlageklasse | Index | Rendite über 3 Monate, per 31.03.2015 | Rendite über 12 Monate, per 31.03.2015 |
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Aktien Welt | MSCI World Net USD | 2.31% | 6.03% |
Aktien Schweiz | Swiss Performance Index | 3.16% | 11.40% |
Obligationen Welt | JPM GBI Global Traded TR USD | -1.79% | -3.73% |
Obligationen Schweiz | Swiss Bond Index AAA-BBB TR | 1.98% | 6.85% |
Rohwaren | Thomson Reuters/Jefferies CRB TR USD | -7.86% | 30.44% |
Immobilien Schweiz | SXI Real Estate® TR | 8.16% | 19.94% |
Wechselkurs EUR/CHF | -13.21% | -14.31% | |
Wechselkurs USD/CHF | -1.70% | 9.95% |
Unsere Risikoindikatoren haben sich im ersten Quartal 2015 im Vergleich zum Vorquartal nicht verändert. In unserer Anlagestrategie halten wir am Zielportfolio 1 fest und bleiben defensiv investiert. 20 bis 25% der Mittel in den Portfolios sind in Realwerten angelegt. Wir wollen im aktuellen Umfeld das Risiko tief halten, was sich auch in unseren Anlagen im Nominalwertbereich niederschlägt. Die Obligationenquote ist im Vergleich zu unserer Benchmark neutral, die Laufzeit ist jedoch deutlich kürzer.
Das Verhalten der Zentralbanken ist prominent im Fokus der Marktteilnehmer. Damit ist eine wichtige Bedingung für instabile Märkte gegeben: Werden Indizes nur durch wenige Faktoren getrieben, ist ihre Fähigkeit gering, negative Nachrichten zu absorbieren. Anleger verhalten sich dieser Tage zudem so, wie es Daniel Kahneman in seiner «Prospect Theory» («Erwartungstheorie») beschreibt, für deren Begründung er im Jahr 2002 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. Statt in einem Negativzinsumfeld einen sicheren, aber begrenzten Verlust in Liquidität zu akzeptieren, wählen sie den unsicheren Weg in risikoreiche Anlagen, um die Möglichkeit eines Gewinns zu bewahren. Wir denken jedoch, dass diese Chance von Monat zu Monat kleiner wird. Nur diese beharrliche Suche nach Risiko kann das Kaufverhalten der Investoren und die Preise der gekauften Anlagen erklären:
- Geldmarktfonds haben seit 1998 massiv an Attraktivität eingebüsst. Damals investierten Fondsanleger noch 25% der Mittel aller schweizerischen Anlagefonds in diese sichereren, zinsbringenden Instrumente. Heute muss für diese Sicherheit wegen der Negativzinsen bezahlt werden, und die Quote ist auf 6% gefallen. Trotz zwischenzeitlich grossem Wachstum der entsprechenden Fondsvolumen sind heute nur noch 53 Mrd. Franken – rund 30 Mrd. weniger als im Jahr 1998 – in Geldmarktfonds geparkt.
- Ehemals konservative Obligationenanleger müssen sich im Nullzinsumfeld neu orientieren. Aus diesem Grund haben sie sich vermehrt Immobilienanlagen zugewandt, die eine Ausschüttung und somit eine positive Rendite offerieren. Der Preis, den die Investoren dafür zu bezahlen bereit sind, ist jedoch hoch. Per Ende März lag der zu bezahlende Aufpreis (Agio) sämtlicher Schweizer Immobilienfonds 35% über dem inneren Wert der Anlagen (NAV). Der langjährige entsprechende Durchschnitt beträgt 15%. Das Potenzial für Korrekturen hat sich in den letzten drei Monaten markant erhöht.
- Ein Mangel an Alternativen treibt die Investoren in risikoreiche Anlagen. Der Aktienanteil aller Schweizer Anlagefonds belief sich Ende Februar 2015 auf 39% des Gesamtvolumens und übertraf damit den Rekordwert aus dem Jahr 2000. In den letzten fünfzehn Jahren erzielte der Swiss Performance Index (SPI) nur ein mal eine positive Jahresrendite wenn die Aktienquote von 36% überschritten wurde, alle anderen Beobachtungen zeigten eine negative Performance.
- Anders als bei der Euphorie für Internetaktien vor fünfzehn Jahren oder dem Run auf verbriefte Hypotheken vor acht Jahren glauben wir nicht, dass die Investoren diesmal freiwillig auf der Suche nach der «heissesten Geldanlage» sind. Heute werden sie von den Zentralbanken geradezu gezwungen, sichere und ehemals zinsbringende Anlagen zu verlassen. Das natürliche Verhalten der Investoren, sichere Verluste um jeden Preis zu vermeiden, wird ausgenutzt. Das «Böse» in Form des Eingehens höherer Risiken lässt sich nicht verdrängen, solange dies attraktiver scheint als das «Gute» in Form eines sicheren Verlusts.
Globale Finanzmärkte – Rückblick
(Vergleiche vorgehende Tabelle)
Aktien
Die europäischen Aktienmärkte zeigten im ersten Quartal 2015 eine veritable Aufholjagd. Nach einer Performance von bescheidenen 3% im Jahr 2014 legten die Aktien im deutschen Leitindex Dax in den ersten drei Monaten um 22% zu. Der Euro Stoxx 50 avancierte in derselben Periode bereits 18%, nach einer flachen Wertentwicklung im Vorjahr. Damit konnte der Rückstand auf die Weltaktienmärkte mehr als nur wettgemacht werden. In den USA zum Beispiel schloss der S&P 500 das erste Quartal unverändert, nachdem er 2014 mehr als 11% geklettert war. In guter Verfassung befindet sich auch der Nikkei: Die Geldpolitik und die Interventionen der Zentralbank verhalfen japanischen Aktien nach einem Gewinn von 7% im Vorjahr zu einem weiteren Anstieg von 10% bis Ende März.
Obligationen
An der Grenze zur Minusverzinsung vollführen Obligationen wahre Kapriolen. Beinahe täglich pendeln die Zinsen für Anleihen der Eidgenossenschaft zwischen positiv und negativ, und die entsprechenden Zinskurven drehen von flach bis steil. In der Eurozone weisen bereits 30% der Staatsanleihen eine negative Rendite aus. Ermüdungserscheinungen in der weltweiten Bondrally führten im ersten Quartal zu einem Wertverlust des globalen Obligationenindex von 2% (in Dollar gerechnet). Frankenanleihen schnitten mit einem Plus von 2% besser ab.
Rohwaren
Rohwaren zeigten von Januar bis März in Bezug auf das Risiko eine auseinanderlaufende Entwicklung. Während die Schwankungsbreite der Monatsrenditen in Rohöl grösser wurde, bildete sich die entsprechende Volatilitätskennziffer in den Edelmetallen kontinuierlich zurück. Die Volatilität der Goldpreise war Ende März 2015 so tief wie seit vier Jahren nicht mehr.
Immobilien
Der Anlagenotstand für Obligationeninvestoren hat sich im ersten Quartal 2015 intensiviert. In der Folge dienten Immobilien als Auffangbecken für Gelder, die aus Risikoüberlegungen (noch) nicht für Aktienanlagen vorgesehen waren. Nur so lässt sich der weitere Anstieg des Agios (des Aufpreises gegenüber dem Nettovermögen) von Schweizer Immobilienfonds erklären. Mittlerweile beträgt diese Prämie 35%; entsprechend lieferten Immobilienfonds eine Rendite von 8% im ersten Quartal und eine Rendite von 20% in den letzten zwölf Monaten.
Währungen
Fundamentale Änderungen im geldpolitischen Umfeld setzten die Schweizerische Nationalbank (SNB) so stark unter Druck, dass sie am 15. Januar 2015 unerwartet den Mindestkurs des Euros zum Franken aufhob. Gleichzeitig drückte sie die bereits im Dezember 2014 eingeführten Negativzinsen auf Girokonten der Geschäftsbanken noch weiter in den negativen Bereich. Bis zum Quartalsende konnte sich nur der Dollar einigermassen von diesem Schock erholen, er verlor gegenüber dem Franken 2% an Wert. Über die letzten zwölf Monate wertete sich der Dollar zum Franken trotzdem 10% auf.