Wer in ein paar Jahren oder Jahrzehnten zurückblickt, dürfte feststellen, dass die gegenwärtige Periode ein zentraler Wendepunkt in Bezug auf das wirtschaftliche und geldpolitische Umfeld war – nicht nur für Unternehmen und langfristig orientierte Investoren, sondern auch für die Bevölkerung allgemein.
Die US-Notenbank Fed kauft neuerdings risikoreiche Schulden von kollapsgefährdeten Unternehmen. Sie beschreitet nach vielen Jahren höchst innovativer Auslegung ihres Auftrags einmal mehr neue Wege, diesmal in ein Marktsegment, das für jede Zentralbank tabu sein sollte. Die Bank of England kauft Staatschulden direkt von der Regierung. Die japanische Zentralbank erwirbt zur Stützung des Finanzsystems schon lange Anleihen und Aktien, und fügt nun noch die Ausgabe von Helikoptergeld hinzu. Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft schon seit vielen Jahren Staats- und Unternehmensanleihen, und sie akzeptiert seit neustem auch «Fallen Angel Bonds» als Pfandsicherung. Und unsere SNB ist eine mustergültige Währungsmanipulatorin, notabene im Interesse der heimischen Exportwirtschaft.
Zentralbanken haben die letzten Hemmungen verloren
Ein Blick zurück setzt diese Entwicklungen in Perspektive. Früher, das heisst vor der internationalen Finanzkrise 2008, lagen die Bilanzen der Zentralbanken im Wesentlichen bei null. Die Notenbanken setzten die Zinssätze fest und versuchten, die Konsumentenpreise stabil zu halten und allenfalls die Devisenmärkte ein wenig zu beeinflussen. Sie agierten im Hintergrund. Ihre klar definierte Aufgabe bestand darin, die Wirtschaftstätigkeit mit einer angemessenen Geld- und Währungspolitik zu unterstützen – aber nicht direkt einzugreifen oder gar ein Instrument für Regierungen zu sein. In der Folge der Finanzkrise benutzten die Zentralbanken ihre Bilanzen zum ersten Mal, um Staats- und Unternehmensanleihen zu kaufen und das Bankensystem zu retten. An dieser Stelle sei an den Mai 2010 erinnert, als die EZB beschloss, notleidende griechische Staatsanleihen als Sicherung zu akzeptieren und somit zu belehnen.
Heute ist das zur Normalität geworden, doch vor zehn Jahren war dieses Vorgehen unerhört, und es zog langjährige juristische Streitereien zur Auslegung der Statuten der EZB nach sich. Es kennzeichnete den Beginn der Demontage jeder unabhängigen Geldpolitik weltweit. Inzwischen haben die Notenbanken beschlossen, nicht nur Regierungen, Banken und systemrelevante Grossunternehmen zu retten – sondern auch übermässig fremdfinanzierte Unternehmen, Private-Equity-Fonds und zugleich alle Investoren in diese Vermögenswerte. Mit anderen Worten: fast alle, die drohen, für genügend negative Schlagzeilen zu sorgen.
Strukturelle Veränderungen
Mit dieser Politik unterstützen die Zentralbanken ein nicht nachhaltiges, teilweise zu stark verschuldetes Wirtschaftssystem. Sie haben bewiesen, dass sie das gegenwärtige System am Leben erhalten werden, koste es, was es wolle. Regierungen, Unternehmen und Investmentfonds werden dadurch ermutigt, für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten mehr und mehr Hebelkräfte einzusetzen. Dies wird die Zentralbanken dazu zwingen, die Realzinsen über einen sehr langen Zeitraum äusserst niedrig zu halten, denn Leverage ist nur dann tödlich, wenn er etwas kostet. Hochverschuldete und ineffiziente Zombie-Unternehmen werden weiterhin existieren, sich verschulden, und viele von ihnen werden alle paar Jahre Rettungspakete benötigen.
Mit einer signifikanten Verbraucherpreisinflation ist nicht so bald zu rechnen, weil zu viele Menschen arbeitslos oder unterbeschäftigt sein werden. Aber die Asset-Preis-Inflation dürfte weiterhin ansteigen. Die Ungleichheit zwischen den Superreichen und den «Working Poor» – und zwischen Menschen mit guter Bildung und digitaler Kompetenz und solchen ohne – wird weiter zunehmen.
Massive strukturelle Verschiebungen in den Volkswirtschaften weltweit werden zu neuen Modellen der Verteilung des Wohlstands führen – was bedeutet, dass ein von den Regierungen bereitgestelltes universelles Grundeinkommen notwendig werden könnte. Noch mehr Helikoptergeld wird dann niemanden mehr überraschen. Allgemein wird der Wert von «Papiergeld» langfristig abnehmen müssen, um die massive Staatsverschuldung irgendwie in den Griff zu kriegen.
Sachwerte sind wichtiger denn je
Was bedeutet diese Entwicklung für Investoren? Anleger und Vorsorgeeinrichtungen mit einem mittel- bis langfristigen Anlagehorizont sollten Sachwerte wie Aktien, Immobilien, Rohstoffe und Gold übergewichten und Staatsanleihen, Geldmarktanlagen und Bargeld untergewichten. Gegen eine gewisse Fremdkapitalquote (Hypotheken) ist nichts einzuwenden, aber nur vorsichtig dosiert und der Risikofähigkeit des Investors entsprechend.
Nur Sachwerte werden es Privatpersonen ermöglichen, künftigen Verpflichtungen wie Gesundheitskosten und Leben im Alter nachkommen zu können. In noch stärkerem Ausmass gilt dies für Vorsorgeeinrichtungen, die nicht nur mit niedrigsten oder gar negativen Zinsen und dem wirtschaftlichen Umfeld zu kämpfen haben, sondern auch mit der demografischen Entwicklung.
Emotionslos investieren
Eine erhöhte Aktienquote im Portfolio verspricht eine langfristige Wertsteigerung. Sie muss jedoch mit einem defensiven Risikomanagement einhergehen, um Verluste bei heftigen Marktrückschlägen abzufedern. Um eine Einbusse von 50 Prozent wettzumachen, braucht es eine neuerliche Wertentwicklung von 100 Prozent.
Mit einem defensiven, quantitativen Risikomanagement, das den Aufbau und die Reduktion der Sachwertquote emotionslos und ohne Panik steuert, können Investoren zwar nicht zu 100 Prozent am Aufwärtspotential partizipieren. Aber sie können markante Einbussen vermeiden und relativ sicher durch die neue Welt der Notenbanken steuern Nicht das Maximum ist für die Zukunft gefragt, sondern das vernünftige, nachhaltige Optimum.