Marc Bürgi – Handelszeitung: Die «Krisenwährung» Gold ist wieder gefragt. Wie wird sich der Preis entwickeln?
Jacques Stauffer – PARSUMO Capital AG: Die Realzinsen sind des Goldes Feind. Wenn die Realzinsen immer deutlicher in den negativen Bereich fallen, sollte sich der Goldpreis gut entwickeln. Da sich die Notierungen trotz aktuellem Szenario in den letzten Monaten wenig bewegt haben, würde ich dem Goldpreis ein beachtliches Aufholpotenzial zugestehen.
Sie haben in der Vergangenheit Investitionen in Tesla empfohlen. Sind Sie immer noch gleicher Meinung – und wieso?
Ja, die Überlegungen zu Tesla gelten langfristig; die Bewertung des TechMobil-Unternehmens ist zurecht astronomisch hoch. Tesla spielt trotz jungem Unternehmensalter in einer eigenen Liga und ist weit mehr als nur ein Autobauer. Diese Dominanz können die traditionellen Autoproduzenten kaum umstossen. Der Primus sitzt ausserordentlich fest im Sattel.
Sind Sachwerte – Aktien, Immobilien, Rohstoffe – weiterhin das beste Investment, oder ist wieder die Zeit für Obligationen und andere Anlagen gekommen?
Sachwerte sind in der heutigen robusten konjunkturellen Verfassung der globalen Wirtschaft trotz Pandemie die richtige Wahl. Als Alternative zu traditionellen Obligationen können dem Portfolio inflationsgeschützte Obligationen beigefügt werden.
Die türkische Lira fällt immer tiefer. Gibt es Währungen von Schwellenländern, die Sie interessant finden?
Der Absturz der Lira ist kaum aufzuhalten, es sei denn, die politische Landschaft verändere sich grundlegend zum Positiven. Die wichtigste Schwellenlandwährung – mit dem Potential zu einer Weltwährung aufzusteigen – ist der Renminbi. In den letzten 20 Jahren bewegte sich der Preis der chinesischen Währung zwischen 5 und 9 Yuan für einen Franken, heute liegt er bei 7 Yuan. Der Renminbi hat eine vielversprechende Zukunft.
Nachdem sich China zur weltweit führenden Exportnation entwickelt hat, denkt das Land heute sehr viel binnenwirtschaftlicher. Trotz grosser Unsicherheiten bezüglich dieser Transition gewaltigen Ausmasses kann davon ausgegangen werden, dass für China eine günstige eigene Währung nicht mehr erste Priorität hat. Als Währungsmanipulator gebrandmarkt, wird China die Entwicklung des Renminbis künftig stärker den Marktkräften überlassen. Ich rechne damit, dass der Übergang zu einer vermehrt binnenorientierten Wirtschaft mit einer Aufwertung der chinesischen Währung einhergeht.
Wechseln wir zum allgemeinen Geschehen an den Börsen: Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte aktuell?
Die Corona-Krise ist omnipräsent und ihre Auswirkungen sind an den Finanzmärkten überall spürbar. Ganze Branchen, wie die Luftfahrt oder die Kreuzfahrtindustrie, sind in einer existenziellen Notlage und müssen drastische Massnahmen ergreifen, um ihr Überleben zu sichern.
Andere Industrien leiden unter Lieferengpässen und Transportschwierigkeiten. Ganze Lieferketten sind unterbrochen, und die resultierenden Preissteigerungen machen es für viele Unternehmen alles andere als einfach, ihre Kunden zu bedienen. Dazu kommen auch Engpässe in der Rekrutierung von Fachpersonal und die veränderten Ansprüche der Mitarbeitenden. Für viele Unternehmen ist das ein höchst anspruchsvolles Umfeld.
Die Finanzmärkte erleben deshalb ein Wechselbad der Gefühle: Sie haussieren, wenn beruhigende Nachrichten die Runde machen, dann korrigieren sie wieder, weil neue Virus-Varianten auftauchen. Die Corona-Krise wird die Finanzmärkte noch länger dominieren.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Anfang September beantwortete ich diese Frage wie folgt:
«Der SMI dürfte sich in den nächsten Monaten leicht abschwächen und danach wieder an Fahrt gewinnen. Es ist gut möglich, dass die Inflationsentwicklung Zinsängste schüren und die labilen Monate September und Oktober belasten könnte. Unsere proprietären Risikoindikatoren weisen jedoch auf keinen deutlichen Rückschlag hin. Gegen Ende des Jahres sollten sich die ausgezeichnete Konjunktur durchgesetzt und die China- und Zinsängste wieder gelegt haben. Der SMI könnte neue Höchststände erreichen.»
Nun hat sich die erwartete Korrektur im November 2021 ergeben, und die Erholung dürfte sich im ersten Quartal 2022 und darüber hinaus fortsetzen. Ich bin davon überzeugt, dass es die Sachwerte (Aktien, Immobilien, Rohstoffe) sind, die am besten vor inflationären Tendenzen oder der aktuell beobachteten steigenden Inflation schützen.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Der SMI könnte nach einem ausgezeichneten ersten Halbjahr 2022 erneut auf das Niveau von heute zurücksinken. Lassen wir es auf uns zukommen, denn Sachwerte zu halten ist zurzeit keine wirkliche Wahl, sondern unumgängliche Pflicht.
Link zum Artikel in der Handelszeitung: «Ich würde dem Goldpreis ein beachtliches Aufholpotenzial zugestehen»