Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Die Verhältnisse an den Finanzmärkten sind geprägt von geopolitischen Ereignissen, von Unsicherheit und von Umwälzungen in allen Bereichen der Wirtschaft. Diese Veränderungen finden auf Branchen- und Länderebene und in raschem Tempo statt. Ihr Treiber ist die Digitalisierung, sie umfasst die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Konsumenten. Dabei wird immer klarer, dass Grösse allein kein Vorteil mehr bedeutet, Innovation hingegen eine Voraussetzung für Erfolg ist. Die Entglobalisierung erfasst viele Bereiche, z.B. die grossen Internetunternehmen, und sie wird weitreichende Konsequenzen haben und die Sektorrotation weiter anfeuern.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Das Rekordergebnis dieses Jahres hat die Schweizer Börse kurzfristig anfällig gemacht. Allerdings ist keine länger anhaltende Korrektur zu erwarten. Nach dem positiven 2017 und der anschliessenden Korrektur im Jahr 2018 hat sich der hiesige Aktienmarkt im 2019 sehr gut entwickelt, jedoch ohne Euphorie zu zeigen. Dieser Trend wird so lange anhalten bis sich das Ende des längsten Bullmarktes der Geschichte durch Übertreibungen ankündigt.
Wo steht der SMI in 12 Monaten?
Die Vorzeichen für eine Fortsetzung der Hausse sind gegeben. Da es kaum Alternativen zu Aktien gibt, könnte der SMI vorerst weitere Avancen zeigen. Im zweiten Halbjahr 2020 dürfte er sich jedoch nicht mehr halten können und in zwölf Monaten tiefer notieren als heute.
Chinas Führung hat diese Woche neue Wachstumsziele beschlossen. Wie stark leidet die Volksrepublik unter dem Handelskonflikt, und kann China wieder zum Wachstumsmotor der globalen Konjunktur werden?
China meistert eine Herkulesaufgabe, dies obwohl das Land unter dem Handelskonflikt leidet. Der Wachstumsmotor der globalen Konjunktur läuft weiterhin auf Hochtouren, und die globale Konjunktur sieht robust aus. Das chinesische Wirtschaftswachstum wird häufig nicht objektiv beurteilt, weil zwei wichtige Effekte zu wenig berücksichtigt werden: Zum einen ist dies der Basiseffekt, der die Wachstumsraten nach einer gewissen Zeit implizit dämpft. Zum anderen hat China in den letzten Jahrzehnten wegen der schieren Grösse und dem raschen Wachstum seiner Volkswirtschaft einen immer grösseren Anteil an der Weltwirtschaft errungen – und steht nun einem immer kleineren Exportmarkt gegenüber. Ein Wirtschaftswachstum von 6,1% für 2019 und 5,8% für 2020 kann nur erreicht werden, wenn die Exporte weiter steigen und die Binnenwirtschaft gut läuft. Verglichen mit den chinesischen Zuwachsraten muten die erwarteten 1,9% in den USA allerdings geradezu bescheiden an.
Gold hat sich 2019 stark aufgewertet. Rechnen Sie mit einem weiter steigenden Preis des Edelmetalls?
In vielen Ländern steigt die Staatsverschuldung weiter an, die verführerische Geldaufnahme zum Nulltarif tut das ihre dazu. Das Motto lautet: Lasst uns investieren sprich Geld ausgeben – und damit sogar Geld verdienen. Deshalb dürfte sich die Asset-Inflation fortsetzen. Der Goldpreis wird weiter steigen.
Schmolz+Bickenbach hat grünes Licht für eine Kapitalerhöhung und die Sanierung erhalten. Sind Sie zuversichtlich für die Zukunft des Stahlherstellers?
Die Konkurrenz in der Stahlindustrie ist unerbittlich. Ausländische Anbieter profitieren von ihrer Grösse hinsichtlich Produktion und Absatzmärkten. Wenige Faktoren sprechen für ein Engagement in Schmolz-Bickenbach, da zurzeit kein Konkurrenzvorteil erkennbar ist.
Anfang Februar wird bei ABB der neue Chef Björn Rosengren die Führung übernehmen. In welchem Zustand sehen Sie den Industriekonzern vor dem Stabswechsel?
ABB ist ein Technologieunternehmen der Zukunft. Die Transformation des ABB Konzerns wurde von langer Hand geplant und zeigt erste positive Effekte. ABB ist gut für die digitale Zukunft (Robotics, Automation, Elektrifizierung [beispielsweise für die Elektro Mobilität], Power Grids [stärkere intelligentere und grünere Netze], etc.) gewappnet, und Björn Rosengren muss diese Ausgangslage nun verkaufen, im Sinne «tue Gutes und rede darüber».
Link zu den Artikel:
Handelszeitung: Wenige Faktoren sprechen für Engagement in Schmolz-Bickenbach
Cash: Im zweiten Halbjahr 2020 wird sich der SMI kaum mehr halten können