Dr. Niklaus Meyer, Head Research PARSUMO Capital AG:
«Lerne Widerspruch ertragen. Sei nicht kindisch eingenommen von Deinen Meinungen.» Adolph Freiherr von KniggeIn unserem sporadisch erscheinenden Bericht «Aktuelle Marktlage aus Sicht des Risikomanagements» kommentieren wir die relevanten Veränderungen der Risikoverhältnisse an den Kapitalmärkten und greifen Themen aus dem Risikomanagement auf.
Das Jahr 2015 steht bereits wieder im letzten Quartal und wird uns noch lange als ein äusserst turbulentes Jahr in Erinnerung bleiben. Aus Sicht des Schweizer Frankens begann es mit dem ersten grossen Widerspruch im Januar, ob und wie eine Zentralbank die eigene Währung schwächen kann. Das Resultat ist hinlänglich bekannt und schmerzhaft.
Die Preise der Rohstoffe offenbaren schon den nächsten Widerspruch und auch die Akteure der Zentralbank der USA senden widersprüchliche Signale aus. Und das sind nur einige von vielen Situationen aus der Welt der Wirtschaft.
In diesem Aufsatz machen wir uns Gedanken über Widerspruch und beginnen mit einem äusserst prominenten Beispiel. Ein Widerspruch der 2013 in der Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaft kulminierte.
Nobelpreis 2013
Eugene Fama und Robert Shiller sind zwei Männer mit unterschiedlichen Meinungen. Man könnte fast sagen, diametral unterschiedlichen Meinungen. Wären Sie Physiker, dann hätte vielleicht einer von ihnen irgendwann den Nobelpreis erhalten. Sicherlich nicht beide! Gene und Robert sind allerdings Ökonomen…
Der Anfang einer wunderbaren Freundschaft
Fama: «Ich glaube, es gibt in der Wirtschaft keinen Lehrsatz, der empirisch stichhaltiger bewiesen ist, als die Hypothese von den effizienten Märkten»
Shiller: «Die Hypothese von den effizienten Märkten ist einer der bemerkenswertesten Fehler der Wirtschaftsgeschichte»
Fama: «Diejenigen welche von Blasen an den Märkten sprechen, sind intellektuell schlampig»
Shiller: «Warum sind wir so interessiert an der Hypothese von den effizienten Märkten? Wir haben noch keinen überzeugenden Beweis dafür gesehen. Ich sehe keine Inspiration in dieser Hypothese»
Fama und Shiller sind zwei erfolgreiche Ökonomen mit unterschiedlichen Meinungen. Offensichtlich lassen sich diese Meinungen nicht vereinbaren, auch wenn dies immer wieder versucht wird. Ein Ansatz ist dabei, die unterschiedlichen Regime anzuschauen, in denen die jeweiligen Theorien funktionieren.
Zum einen im kurzfristigen Bereich, wo beide es für unmöglich halten, genaue Voraussagen zu machen. Die Gründe, die sie dafür anführen, sind aber verschieden. So sagt Fama, dass es unmöglich sei, Aktienpreise aufgrund der Vergangenheit vorherzusagen. Sie würden schlicht und einfach stochastisch verlaufen. Und im kurzfristigen Bereich widerspricht ihm Shiller nicht.
Fama weitete diesen Gedanken 1969 vor der American Finance Association weiter aus und geht von einer generellen Unvorhersagbarkeit aus, sowohl kurz- als auch langfristig. Im Weiteren fliesse jede neue Information (zB eine Dividendenrendite) sofort in den Preis der Aktie ein und es entsteht keine Arbitrage und deshalb bleiben die Preise, unabhängig wie lange wir draufschauen, einfach immer zufällig. All das zusammen kann nur eines bedeuten: Die Finanzmärkte sind effizient!
Den Schluss hat Fama richtig gezogen. Es kann nämlich mathematisch bewiesen werden, dass ein rationaler Aktienmarkt immer zufällig und unvorhersehbar sein muss. Aber sind Famas Annahmen richtig? Erreicht der Markt dieses Ideal? Handeln die Akteure in der realen Welt tatsächlich rational und machen dadurch den Markt auch wirklich rein zufällig und unvorhersehbar?
Es brauchte mehr als eine Dekade, bis der junge MIT Professor Shiller die alten Hasen das Fürchten lehrte. Er forschte am selben empirischen Modell wie Fama. Der Entwicklung von Aktienpreisen nach Ankündigung unerwarteter Dividendenzahlungen. Und er stellt fest, dass die Aktienpreise sich stärker bewegen, als es rational wäre. In einem Arbeitspapier von 1981 stellt er die Frage: «Do Stock Prices Move Too Much to be Justified by Subsequent Changes in Dividends?» Die freche Antwort kam prompt: «Yes they do!”.
Und das war nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!
Blasen
Nun begann die Kontroverse und sie hält bis heute an. Vor allem die älteren Ökonomen konnten dieser Vorstellung nichts abgewinnen. Warum sollten Aktienpreise volatiler sein als die ökonomischen und fundamentalen Daten auf denen ihre Preise beruhen?
Die Aussage von Shiller war Zündstoff pur. Denn sie trug einen noch viel weitreichenderen Schluss in sich. Sind nämlich, wie in der Welt von Fama, alle Preise rein zufällig, dann ist es nämlich unmöglich festzustellen, ob ein Aktienkurs aus der Reihe tanzt oder nicht und man kann eine Anomalie nur im Nachhinein feststellen.
Shillers Aussage besagt im Kern also, dass man langfristig Aktienkurse vorhersagen kann! Eine Aktie kann zu teuer (und wird fallen) oder zu billig (und wird steigen) sein. Eine Aktie kann sogar viel zu teuer sein und dann entsteht eine Blase. 6 Jahre später, im Oktober 1987 sollte Shiller zum ersten Mal Recht bekommen. In den 1990 und 2000 Jahren kamen weitere Beweise dazu.
Mikroeffizienz vs Makroeffizienz
Die Idee, dass Aktien, Obligation, Rohstoffe, etc. im kurzfristigen Zeitraum keine genaue Vorhersage zulassen bestreiten weder Fama noch Shiller. Daraus ziehen auch wir als Vermögensverwalter den Schluss, dass es schwierig ist, im Bereich von Einzeltiteln den Markt generell zu schlagen. Die Preise verhalten sich zufällig und sind nur sehr selten vorhersehbar.
Im Zeitraum von 3-5 Jahre hingegen lernen wir aus Shillers Theorie, dass durchaus Vorhersagen gemacht werden können. Das Entstehen von Blasen, von Übertreibungen, aber auch von Untertreibungen ist auf Ebene der Anlageklassen, von Regionen oder Ländern sowie Branchen, ganz einfach Realität. Jüngste Beispiele sind der Aktienmarkt in China, der Ölpreis, die Zinsentwicklung und die Rohstoffpreise. In diesem Sinne haben beide Nobelpreisträger recht und ihre Theorien ihre Berechtigung. Shiller für die strategische und taktische Allokation und Fama auf der Ebene der Titelselektion zu einem bestimmten Index.
PARSUMO nutzt diese empirischen Erkenntnisse und verwaltet die Allokation aktiv – ganz im Sinne von Shiller. Zur Abbildung einer Allokationskomponente jedoch halten wir uns an die Hypothese der effizienten Märkte von Fama und setzen diese mit ETFs oder Indexfonds passiv um.
Unsere Hauptaufgabe ist es auch deshalb nicht, nach dem nächsten Investment mit der besten Rendite zu suchen. Wir wollen die Risiken unserer Allokation vorhersagen und wissen, ob es sich lohnt, diese systemischen einzugehen.